Nachruf auf Julij Logar

Julij (Jure) Logar  7. Februar 1924 – 31. Juli 2019

Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg beklagt den Tod des wohl ältesten unter den noch lebenden ehemaligen Leonberger KZ-Häftlingen, mit dem wir Kontakt hatten. Am 31. Juli ist im Alter von 95 Jahren Julij Logar verstorben. Als Vertreterin unserer Initiative hat das Vorstandsmitglied Irmtraud Klein an der Trauerfeier am 3. August in Črniče (Slowenien) teilgenommen.

Julij (Jure) Logar wurde am 7. Februar 1924 in Zadlog auf dem sog. Karst zwischen den Julischen und den Dinarischen Alpen in der westlichen Küstenregion von Slowenien geboren. Der Vater betrieb Landwirtschaft, in der der Heranwachsende mithalf. Er wuchs in einer politisch unruhigen Umgebung auf. Seit dem Friedensvertrag von Saint Germain 1920 war die Heimat von Julij Logar an Italien gefallen und stand unter faschistischer Herrschaft, wie Klaus Beer im Buch „Aus vielen Ländern Europas“ (2008) ausführlich beschrieben hat. Italienisch wurde zur alleinigen Landessprache. Die Lage verschärfte sich, als Italien 1940 an der Seite Deutschlands in den Krieg eintrat. Im ersten Interview, das Birgit Wörner und Volger Kucher im Oktober 2000 mit Julij Logar geführt haben, nannte er als seinen wohl ursprünglichen Vornamen Jure.  Wie es zum Vornamen Julij kam, ist uns nicht bekannt. Julij Logar wurde Soldat der italienischen Armee. Als schließlich 1943 Italien das Kriegsbündnis mit den Deutschen aufkündigte und deutsche Truppen Norditalien und die italienisierten Gebiete Sloweniens besetzten, schloss der gerade mal 19jährige sich den slowenischen Partisanen an. Am 17. November 1944 wurde er unter dem Partisanennamen Anton Kaučič verhaftet und in das Gefängnis des italienischen Teils von Goricia verbracht. Am 8. Dezember schob man ihn und 30 andere Slowenen in einen von Triest kommenden Häftlingstransportzug. Wie er später feststellte, saßen in diesem bereits Riccardo Goruppi und dessen Vater Edoardo sowie Radoslav Švagelj. Das vorläufige Ziel war das KZ Dachau. An Silvester 1944 wurden alle vier in das KZ-Außenlager Leonberg weitergeleitet. Anton Kaučič bekam die Natzweiler Häftlingsnummer 40198. Hätte es nicht im Oktober 2000 das Interview von Birgit Wörner und Volger Kucher mit Julij Logar an seinem Wohnort Črniče gegeben sowie die späteren Einladungen nach Leonberg, würde heute sein Partisanenname an der Namenswand stehen. In Leonberg teilte Julij Logar mit seinem Landsmann Radoslav Švagelj das Bett. Die dreimonatige Zwangsarbeit für Messerschmitt hat dem jungen Julij Logar alle Kräfte geraubt, körperlich und seelisch. Als er am Ende des Krieges zu Hause ankam, wog er noch 35 kg, wie er im Interview erzählte. Mitte April 1945 wurden die Leonberger KZ-Häftlinge auf eine Todesfahrt bzw. einen Todesmarsch in Richtung Bayern geschickt, zunächst bis zum Konzentrationslager Kaufering. In der Frühe des 27. April ist Julij Logar von dort zusammen mit Riccardo Goruppi und Radoslav Švagelj buchstäblich in einen Todeszug mit 800 Mithäftlingen aus dem KZ Kaufering gezwungen worden. Bei der dramatischen Fahrt mit dem Ziel Dachau entkam Julij Logar knapp dem Tode. Der Zug fuhr nur eine kurze Strecke, etwa 12 Kilometer, bis zum benachbarten Weiler Schwabhausen (Landkreis Landsberg/Lech). Julij Logar sagte im Interview: „Der gesamte Transport wurde von Militär begleitet. Da haben sie uns auf ein stillgelegtes Gleis gefahren und wir mussten Schutzschilder bilden für die Armee vor den Bombardierungen durch die Amerikaner. Da sind viele während des Bombardements gefallen. Ich weiß, dass Rado Švagelj, Riccardo Goruppi und ich aus dem Zug sprangen und uns in einen Graben gerettet haben. Später sahen wir nach, wie es in den Wagen aussah. Rundherum war alles zerfleischt.“ Nach einem amtlichen Bericht gab es 136 Tote und 80 Schwerverwundete. Der Güterzug mit den Gefangenen konnte nicht weiterfahren. Was die drei Leonberger KZ-Häftlinge nicht mitbekommen hatten -  die begleitende SS-Wachmannschaft beschloss, einen neuen Zug zusammenzustellen. Im Hintergrund gab es jedoch Verhandlungen eines im selben Transport befindlichen jüdischen Arztes, Dr. Grinberg, mit dem Bürgermeister von Schwabhausen, sodass dieser - wie auch immer - die Gefangenen unter seinen Schutz nahm, ehe deren Verpflegung nicht gesichert wäre. Die Zeit reichte bis zum Einmarsch amerikanischer Truppen und zur endgültigen Befreiung. Riccardo Goruppi erinnerte sich an diesen Augenblick: „ Am Morgen herrschte eine Stille, dass du Angst bekamst. Als wir uns aus unserem Versteck heraus gewagt hatten, sahen wir ein Gewehr auf uns gerichtet. Es war ein Schwarzer, der nachsehen wollte, ob es in den Waggons noch etwas zum Mitnehmen gab. Wir haben mit ihm [vor Freude] geweint, ohne zu wissen, wer er war.“ Die US-Armee brachte die verwundeten und entkräfteten KZ-Häftlinge in ein Militärlazarett im Benediktiner-Kloster St. Ottilien. Dort verblieb Julij Logar zwei Monate lang, bis er reisefähig war. Er hatte lange an den Folgen der Strapazen von Leonberg zu leiden. 15 Jahre lang musste er Diät halten. Er hatte Schlafschwierigkeiten. Alpträume verfolgten ihn. Er erlernte einen Beruf, arbeitete in der Kommunalverwaltung als Standesbeamter. Er heiratet seine Frau Pavla, ein Sohn und eine Tochter werden geboren. Vor sechs Jahren ist Pavla Logar verstorben. Es gibt drei Enkelkinder.

Die KZ-Gedenkstätteninitiative trauert um einen liebenswerten Menschen, mit dem uns vieles verbindet. Wir denken zurück an die Begegnung im Oktober 2001, bei der ein Filminterview mit Julij Logar im Tunnel entstand, sowie an seinen Besuch mit Familie bei der Einweihung der Namenswand im Mai 2005.  Bei diesen Besuchen blieb es nicht. Linde und Klaus Beer nahmen die Einladungen an und waren zwei Mal auf Gegenbesuch in Slowenien. Unser Mitgefühl gilt den Kindern und Enkeln.

Für die KZ-Gedenkstätte: Eberhard Röhm           


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