Methodische Überlegungen für Lehrer,
die eine Führung vorbereiten

KZ-Gedenkstätte Leonberg: Der Weg der Erinnerung

Seminararbeit an der PH Heidelberg:
Carolin Büchler, Kristin Geier, Catarina Rothermel, Carolin Stetter

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Gedenken an das ehemalige Konzentrationslager und dessen Häftlinge
  3. Materialien zur Gedenkstätte Leonberg
  4. „Der Weg der Erinnerung“
  5. Methodisch-didaktische Umsetzung
  6. Schlussbemerkung
  7. Literatur

1. Einleitung

Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg ist uns aufgefallen und hat unser Interesse geweckt da dort nicht nur alle Arbeit ehrenamtlich getan wird, sondern die Gedenkstätte im eigentlichen Sinn gar keine Stätte ist, sondern ein Weg, vielmehr mehrere Wege, bei denen man an die Orte des Leidens und Lebens der KZ-Häftlinge geführt wird. Die Gedenkstätteninitiative versucht diese Vergangenheit wieder bewusst und publik zu machen.
Besonders beeindruckt hat uns die intensive Arbeit mit Überlebenden und Angehörigen der Überlebenden des KZs.

Herr Röhm, maßgeblich an der Gründung der Gedenkstätteninitiative beteiligt, führte uns auf dem Weg der Erinnerung. Aufgrund unserer Vorinformationen, die wir von ihm und durch das Internet erhalten hatten, und aufgrund der Erzählungen Herrn Röhms, haben wir unsere Überlegungen in vier Teile geteilt.

Der erste Teil beschäftigt sich mit der Frage, was und wem mit dieser Gedenkstätte gedacht wird. Hier haben wir alles Wissenswerte über das Konzentrationslager Leonberg zusammengefasst.
Im zweiten Teil setzen wir uns mit den zahlreichen Materialien, die zur Gedenkstätte Leonberg vorhanden sind, auseinander.
Der dritte Teil beschreibt den Weg der Erinnerung, wie die Schulklassen ihn erleben.
Im vierten Teil betrachten wir die methodisch-didaktischen Möglichkeiten dieser Gedenkstätte. Was wird in der Arbeit mit Schulklassen bereits getan und was könnten wir mit einer Schulklasse zusätzlich noch machen.

2. Gedenken an das ehemalige Konzentrationslager und dessen Häftlinge

In Leonberg befand sich in den Kriegsjahren von April 1944 bis April 1945 ein Konzentrationslager.
Es wurde von der SS geführt und war ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler im Elsass.
Das Konzentrationslager in Leonberg wurde als Arbeitslager errichtet.
Es sollte dazu dienen, der Rüstungsindustrie in dieser Zeit schnell und billig Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen.
Aufgrund von Luftangriffen durch die Alliierten hatten die Nationalsozialisten beschlossen, einen Großteil der Rüstungsproduktion in unterirdische Räume zu verlegen.

Aus diesem Grund wurde der Engelbergtunnel, der erste Autobahntunnel des Deutschen Reichs, für den Verkehr gesperrt und umgebaut. Der Umbau betraf beide Tunnelröhren.
Begonnen wurde damit im März 1944. Es wurden Zwischendecken eingezogen, um den doppelten Platz für die Produktion zur Verfügung zu haben. Zudem wurden die Tunnelportale gegen Fliegerangriffe geschützt.
Die beiden Tunnelröhren wurden durch einen Querstollen miteinander verbunden.
Der Tunnel wurde von der Firma Messerschmitt genutzt und diente der Rüstungsproduktion.
Aufgrund der Ausrufung des totalen Krieges musste die Rüstungsindustrie ausgeweitet werden.

In Leonberg produzierte die Firma Messerschmitt die Tragflächen des Düsenjägers Me 262, der damals noch „Strahljäger“ Me 262 genannt wurde. Er war der erste Düsenjäger weltweit.
Da die deutschen Männer fast alle an der Front waren, fand die Produktion in der Rüstungsindustrie oftmals mit Hilfe von Zwangsarbeit, vorwiegend durch Personen aus den besetzten Gebieten, in verschiedenen Formen statt.
Die Produktion des Düsenjägers Me 262 durch die Firma Messerschmitt erfolgte durch Häftlinge des Konzentrationslagers.

Die Häftlinge des Leonberger Konzentrationslagers stammten aus vielen verschiedenen Nationen. Sie kamen aus fast allen Ländern Europas. Heute weiß man, dass sie aus 24 Nationen kamen.
Über 3000 Häftlinge waren während diesem einen Jahr im Konzentrationslager Leonberg.
Von ihnen sind heute knapp 3000 namentlich bekannt.
30% der Häftlinge waren Polen, 23% Sowjetbürger. Die drittgrößte Gruppe waren Italiener mit 13%. Ihr folgten die Franzosen mit 9%. 6% der Häftlinge kamen aus Ungarn und ebenfalls 6% kamen vom Balkan. 7% waren Deutsche.
Mindestens ein Viertel aller Häftlinge waren Juden. Auch Sinti und Roma waren unter den Häftlingen. Die meisten Menschen im Konzentrationslager waren Verfolgte aufgrund des vorherrschenden Rassenwahns oder aufgrund ihrer nicht konformen politischen oder auch religiösen Haltung.
Meistens kamen die Häftlinge über Dachau oder eines der von Messerschmitt kontrollierten Dachauer Außenlager.
Die Firma Messerschmitt forderte ihre Arbeitskräfte durchaus nach deren beruflichen Qualifikation an.
Nach einiger Zeit waren die beruflichen Vorkenntnisse aber nicht mehr maßgebend. Mittlerweile hatte sich die Fließbandfertigung durchgesetzt, welche auch in Leonberg angewandet wurde.

In unmittelbarer Nähe zum Tunnel, wo gearbeitet wurde, befand sich das sogenannte „alte Lager“. Es diente zur Unterbringung der Häftlinge und war ein Holzbarackenlager.
Ungefähr acht Monate später, im Dezember 1944, konnte ein weiteres Lager, das sogenannte „neue Lager“ in Massivbauweise bezogen werden.
Im Lager waren Einschüchterung, Unterdrückung und Gewalt an der Tagesordnung.
Die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal und so kam es zu Krankheiten wie Typhus. Es gab beispielsweise keine Kanalisation und keine befestigten Wege.
In einer Baracke waren bis zu 300 Männer untergebracht.
Sie schliefen auf mehrstöckigen Holzpritschen, die aufgrund der Schichtarbeit oftmals doppelt belegt waren.
An sieben Tagen der Woche in zwölfstündigen Tag- und Nachtschichten arbeiteten die Häftlinge, die aufgrund von unzureichenden Essensrationen abgemagert und sehr geschwächt waren.

3. Materialien zur Gedenkstätte Leonberg

Der Besuch einer (nationalsozialistischen) Gedenkstätte dient im Schulalltag nicht als einfacher Ausflug, sondern sollte in das Thema des Unterrichts eingegliedert werden. Ein Besuch soll das geschichtliche Wissen der Schüler vertiefen und erweitern und somit zur Prägung des individuellen Geschichtsbewusstseins beitragen. Um dies zu erreichen, sollte der Gedenkstättenbesuch vor- und nachbereitet werden. Hierfür stellen die meisten Gedenkstätten diverse Materialien bereit. Die Literatur und Medien der Gedenkstätte/ des Gedenkpfads Leonberg sind auf den nächsten Seiten aufgeführt.

Zuerst ist die Homepage der Gedenkstätte Leonberg zu erwähnen. Man erreicht sie über einen Link auf der Homepage: Gedenkstätten in Baden-Württemberg (www.gedenkstaetten-bw.de) oder direkt unter www.kz-gedenkstaette-leonberg.de Die Homepage enthält Informationen bezüglich Geschichte und Verlauf der Gedenkpfade, sowie einige Grafiken. Weiterhin sind geplante Projekte und wichtige Termine aufgeführt. Zusätzlich verweist sie auf weiterführende Literatur und Medien, sowie Ansprechpartner für Führungen und Informationsmaterialien.

Das ausführlichste Werk zur nationalsozialistischen Vergangenheit Leonbergs ist das 2001 erschienene Buch: „Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg“, herausgegeben von J. Bauer und B. Wörner. Auf 464 Seiten enthält es Beiträge zu verschiedenen Thematiken und von unterschiedlichen Autoren. Neben Informationen und Bildern über das Konzentrationslager Leonberg (Teil 1) und der Zwangsarbeit (Teil 2), werden auch die Handlungsspielräume (Teil 3) der Leonberger Bevölkerung diskutiert. Einzelschicksale werden anhand von Interviews mit KZ- Überlebenden dargestellt und mit fünf Portraits dieser Überlebenden gefestigt. Diese Portraits können im Unterricht zur Nacharbeitung gut eingesetzt werden, da sie sich auf eine DIN A4 Seite beschränken. Auch die gut lesbaren Karten, Quellen und Bilder können dem Unterricht dienlich sein. Mit Teil 4 des Buches wird auf 64 Seiten an die 2556 + x Häftlinge des KZ- Leonberg erinnert. Dieses Buch sollte der Lehrkraft für eine intensive Vorbereitung dienen und zur Verbildlichung einiger Sachverhalte zu Rate gezogen werden. Es ist für 15,80 € im Buchhandel erhältlich.

Eine Zusammenfassung der zentralen Themen des Buches findet sich als Aufsatz in der Broschüre „Arbeit und Vernichtung - Das Außenlagersystem des KZ Natzweiler- Struthof“. Hierbei handelt es sich um ein aus acht Beiträgen bestehendes Heft zur Jahrestagung 2002 der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen Baden-Württemberg. Der Beitrag zu Leonberg von Eberhard Röhm befindet sich auf den Seiten 69 bis 80 und trägt den Titel: „Ein Autobahntunnel wird zum Schicksal einer Stadt“. Teile des Beitrags könnten den Schülern zur Bearbeitung vorgelegt werden, da sie die wichtigsten Themen prägnant zusammenfassen. Das Heft ist über die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg gegen eine Schutzgebühr von 2 € zu beziehen.

Für den Besuch in Leonberg und die Begehung des Gedenkpfades sind zwei Broschüren für die Vor- und Nacharbeitung zu empfehlen.

a) „Stationen auf dem Weg der Erinnerung. Das KZ-Außenlager Leonberg 1944-1945“, 40 Seiten, bebildert. Die Broschüre ist zur Einweihung der Namenswand vor dem alten Engelbergtunnel am 8. Mai 2005 erschienen und beschreibt die sechs Stationen des „Wegs der Erinnerung“. Zu beziehen bei der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. gegen eine Spende von mindestens 2 EURO.

b) Die von Eberhard Röhm und Wolfgang Schiele erstelle Broschüre „Auf den Spuren von KZ und Zwangsarbeit in Leonberg“, zeigt neben dem „Weg der Erinnerung“ noch drei weitere Gedenkwege durch Leonberg und veranschaulicht so, wie im letzten Kriegsjahr eine ganze Stadt im Banne der Rüstung stand: Neben den Orten, an denen KZ-Häftlinge zu finden waren, werden auch Orte von Zwangsarbeitern, Unterkünfte von Wachmannschaften wie auch Orte, an denen Zulieferbetriebe für die Rüstungsfirma Messerschmitt angesiedelt waren, vorgestellt. Der Lehrer kann somit schon im Voraus die Wahl aus unterschiedlichen Gedenkpfaden treffen.
Die Hefte beinhalten aussagekräftige Bilder der Anlaufpunkte und erläutern deren Wichtigkeit und Geschichte. Auf diese Punkte geht ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte während der Führung noch genauer ein. Dementsprechend dient das Heft der Vorbereitung des Lehrers, sowie der späteren Nacharbeitung im Klassenzimmer. Die Broschüre „Auf den Spuren …“ ist über die Stadt Leonberg oder von der KZ- Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. (Kontaktperson Eberhard Röhm) gegen eine Schutzgebühr von 2 € zu beziehen.

Die kürzeste Zusammenfassung findet sich in dem Flyer „Das Leonberger Konzentrationslager 1944-1945“ wieder. Es fasst in vier Absätzen das Wichtigste bezüglich KZ, Gestapolager und Zwangsarbeit zusammen und nutzt Fotographien zur Verbildlichung. Da der Flyer aus zwei Seiten im DIN A4 Format besteht, lässt er sich leicht für die Klasse fotokopieren. Er ist jedoch auch in größeren Stückzahlen bei der KZ- Gedenkstätteninitiative Leonberg (Eberhard Röhm) erhältlich.

Als Letztes ist die Filmdokumentation „Überlebende des KZ- Leonberg“ von Vaclav Reischl zu erwähnen. In 36 Minuten Farbfilm (VHS) werden Überlebende des KZ- Leonberg interviewt. Der Film spielt dementsprechend neben Leonberg auch in Prag, Polen und Israel. Es wird gezeigt, auf welch unterschiedliche Art und Weise, die Überlebenden mit dem Geschehen umgehen. Die Dokumentation ist professionell erstellt und enthält auch ein Begleitheft, welches den Film verfolgt und Hintergründe beschreibt. Die VHS ist bei der KZ-Gedenkstätteninitiative vergriffen, kann jedoch weiterhin bezogen werden über Matthias-Film gem. GmbH, Gänsheidestr. 67, 70184 Stuttgart (Tel. 0711-243456, Fax 0711-2361254, e-mail: vertrieb@matthias-film.de). Die Kassette kann auch bei der Kreisbildstelle oder ausnahmsweise auch bei der KZ- Gedenkstätteninitiative Leonberg (Eberhard Röhm) entliehen werden.

4. „Der Weg der Erinnerung“

Die KZ – Gedenkstätte in Leonberg ist nicht nur eine Stätte, d.h. ein Gebäude oder ähnliches, es sind vielmehr 4 Wege, auf denen man sich der Zwangsarbeit in Leonberg erinnern kann.

Der wohl am häufigsten genutzte Weg, um das Leiden und Leben der KZ-Häftlinge zu schildern und begreifbar zu machen ist der so genannte „Weg der Erinnerung“. Dieser wurde 2001 von der KZ-Gedenkstätteninitiative eingerichtet und mit sechs Orientierungstafeln ausgestattet. Der Weg beginnt am Friedhof Seestrasse, auf dem sich ein großes Sammelgrab befindet, in dem die meisten KZ-Häftlinge bestattet sind. Allerdings wurden sie erst 1953 hierher gebracht. Zuvor lagen ihre Gebeine im Massengrab auf dem Blosenberg. Am Sammelgrab befindet sich ein aus Stein gehauenes Grabmal von 1962. Die Vorderseite zeigt die christliche Auferstehungszene, in die Rückseite steht folgender Text geschrieben: „389 Söhne vieler Völker Europas ruhen hier. Opfer der Gewaltherrschaft in dunkler Zeit. Ihr Tod mahnt uns alle, das Rechte zu tun, dem Unrecht zu wehren und Gott in seinen Geschöpfen zu ehren. 1939 – 1945.“
Dieser Text lässt darauf schließen, dass man noch 1962 den konkreten Hinweis darauf vermeiden wollte, dass ausschließlich Häftlinge des KZs Leonberg hier liegen.
Die Schülerinnen und Schüler sollen sich vor Ort am Friedhof Gedanken machen und Mutmaßungen darüber abgeben, warum wohl gerade dieser Text als Inschrift des Grabmals ausgewählt wurde, zumal das KZ in Leonberg ausschließlich in den Jahren 1944/45 bestand.

Vom Friedhof aus geht es weiter zum damaligen „neuen Lager“ an dessen Stelle sich heute das Altenzentrum „Samariterstift“ befindet. Das „neue Lager“ wurde im Spätsommer 1944 errichtet und bestand aus zweistöckigen Massivbauten mit Flachdach. Drei Unterkunftsbaracken von je 40 Meter Länge und 10 Meter Breite wurden entlang der heutigen Seestrasse provisorisch fertiggestellt. Heute sind noch Teile der ursprünglichen Bausubstanz erhalten. Im Untergeschoß der Baracken befanden sich Werkstätten und auf jeder Ebene je vier Schlafsäle für 40 Häftlinge. Außerdem gab es noch ein kleineres Gebäude für die Wachmannschaften, eine Entlausungsbaracke und ein Küchengebäude. In der Mitte der Gebäude befand sich ein Appellplatz mit hohem Lichtmast. Dieses „neue Lager“ wurde im Dezember 1944 zum ersten Mal belegt, und die Häftlinge mussten sich am Anfang auf den blanken Boden zum Schlafen niederlegen.

Die dritte Station des Weges führt zur 1967 erbauten Blosenbergkirche, die sich auf einem Gelände in direkter Nähe zum ehemaligen KZ-Außenlager befindet. In Ihrem Vorraum befindet sich zum Gedenken daran ein Gedenkbuch, in dem die Namen, die Nationalität, Alter und Sterbedatum von 293 KZ-Häftlingen, die in Leonberg verstarben, verzeichnet sind. Das Buch wird hinter einer gewölbten Metallgussplatte aufbewahrt, die das KZ Geschehen erzählt: Die Wölbung steht für den Engelbergtunnel, in dem die KZ-Häftlinge für die Messerschmitt AG Teile eines Flugzeugflügel zusammen nieten mussten. Deshalb ist auf der Platte der Umriss eines Flugzeugtragflügels zu sehen. Das Gleis steht für das „Gleisle“ auf dem die Häftlinge täglich Material zwischen Bahnhof und Tunnel hin und her transportierten. Der Kirschkorb, der zu sehen ist, soll die gelegentlichen Gaben der Passanten symbolisieren, die sie den ausgemergelten Häftlingen heimlich zugesteckt haben.

Am Ende der heutigen Seestrasse befand sich das „alte Lager“. Das „alte Lager“ bestand aus acht Holzbaracken, in denen je 300 Männer untergebracht waren. Auch hier kamen eine Küche sowie eine Waschbaracke, Latrinen, ein Krankenrevier und ein Leichenhaus hinzu. Auf dem Appellplatz stand ein Galgen. Um beide Lager war Stacheldraht gezogen. Kurz vor der anstehenden Befreiung durch die Franzosen wurden ca. 2700 Häftlinge Richtung Bayern „evakuiert“, das Lager aufgelöst und wegen Seuchengefahr noch vor dem Einmarsch der alliierten Truppen vom Ortspolizisten niedergebrannt.

Der Weg der Erinnerung führt weiter zu der Produktionsstätte der Messerschmitt AG, dem Engelbergtunnel. Ab April 1944 wurden die beiden Tunnelröhren mit Betonschleusen zum Schutz gegen Tieffliegerangriffe versehen und als Produktionsstätte für die Firma Presswerk Leonberg, eines Teilbetriebes der Messerschmitt AG, genutzt. In den Röhren wurde eine Zwischendecke eingezogen, so dass eine ca. 11 000 qm große Produktionsfläche entstand. Beide Röhren wurden mit einem Querstollen verbunden, und ein 22 m hoher Luftschacht führte von oben in den Tunnel. Die Häftlinge mussten in einer 12-Stunden-Schicht unter Anleitung Tragflügel für das Düsenflugzeug Me 262 herstellen. Durch die genutzten Niethämmer, Sprengnieten und Metallpressen herrsche im Tunnel ein unerträglicher Lärm.
Vor Ende des Krieges ließ die Firma Messerschnitt wertvolle Maschinen nach Bayern transportieren und Teile des Tunnels wurden gesprengt, damit diese nicht dem Feind als funktionsfähige Waffenfabrik in die Hände fallen konnte.

Vor dem Engelbergtunnel steht die am 8. Mai 2005 eingeweihte, vom Tübinger Künstler Johannes Kares entworfene Namenswand. In der 25 Meter breiten Wand hängen 15 Stahlplatten mit einer Höhe von 3 Metern und einer Breite von 1,50 Meter. In den sechs Millimeter starken Stahl sind die bisher bekannten Namen von 2892 KZ-Häftlingen wie 16 Gestapohäftlingen und Zwangsarbeitern per Laser eingeschnitten. Damit wird an die um ein vieles mehr als 3000 KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter des SS-geführten KZ Leonberg erinnert. Den zu „Nummern“ degradierten Häftlingen sollen damit symbolisch ihre Namen wieder gegeben werden.

Das Ende des Weges markieren die Sammelgräber auf dem Blosenberg. Ab Dezember 1944 wurden die Leichen der KZ-Häftlinge nicht mehr auf dem Stuttgarter Pragfriedhof verbrannt, sondern einfach in ausgehobene Erdlöcher auf dem Blosenberg geworfen, wegen der Ansteckungsgefahr in ausreichender Entfernung zu den Lagern.
Auf Druck der Militärregierung nach Beendigung des Krieges wurde dort ein großes Betonkreuz aufgestellt, das heute noch steht. Im Sommer 1953 wurden die Gebeine jedoch zum größten Teil in das Sammelgrab auf den Friedhof Seestraße verlegt.
An der Stelle des Massengrabs auf dem Blosenberg liegt eine 1962 angefertigte Steinplatte, auf der in französisch und deutsch zu lesen ist:
„Hier ruhten die Gebeine von 373 Opfern des SS-Arbeitslagers Leonberg. Sie wurden inzwischen auf dem städtischen Friedhof beigesetzt.“

Zusätzlich zu dem beschriebenen „Weg der Erinnerung“ gibt es noch drei weitere Wege, die Schulklassen, auf den Spuren von Zwangsarbeit in Leonberg, erkunden können:

a) Ein Weg führt vom Bahnhof, an dem die meisten Häftlingstransporte ankamen, zum „Gestapolager“ oberhalb der Gartenstadt

b)Ein weiterer Weg führt an verschiedene Orte in der Altstadt, wo Gemeinschaftsunterkünfte eingerichtet waren. Zudem liegt auf diesem Weg das Stadtmuseum, in dem Gegenstände aus dem KZ besichtigt werden können. Dort kann man sich auch an Hörstationen über die Geschichte des KZ in Leonberg informieren.

b) Den letzten Weg sollte man mit dem Fahrrad erkunden. Vom Bahnhof aus gelangt man zunächst zum „Gleisle“. Die Route führt dann weiter auf der Höhe der Stadthalle über das Friedensmahnmal im Stadtpark nach Eltingen. Auch dort gab es Gemeinschaftsunterkünfte und Zulieferbetriebe im Zusammenhang von Rüstung und KZ

5. Methodisch-didaktische Umsetzung

Bevor eine Schulklasse den Weg der Erinnerung in Leonberg besucht, wäre es ratsam, dass die Schüler schon im Vorfeld Informationen zum KZ-System, dem ungefähren Ablauf des Krieges und auch Informationen zum KZ in Leonberg erhalten haben.
Sie bekommen auf dem Weg der Erinnerung immer wieder Fragen gestellt, die sie auf dem Weg zur nächsten Gedenktafel beantworten sollen.
Der Weg ist nicht nur deswegen als Art der Gedenkstättenbesichtigung gewählt worden, weil er die Möglichkeit bietet, möglichst viel zu sehen. Auch methodisch gesehen, ist ein Zuhören im Gehen von Vorteil. Im Gehen kann sich der Mensch viel eher Dinge merken und viel besser nachdenken, als sitzend in einem Raum.

Auf dem Friedhof betrachten die Schüler das steinerne Grabmal und die Aufschrift auf der Rückseite. Meistens kommen sie von selber auf Fragen, wie „Woher weiß man, dass es genau 389 Tote waren?“ oder „Liegen diese 389 Tote alle auf diesem Feld?“ und es fällt ihnen auf, das in dem kompletten Text nicht erwähnt wird, dass es in Leonberg ein Konzentrationslager gab. Schon hier wird deutlich, dass die Schüler kritisch an die Hinterlassenschaften aus dieser Zeit herangehen sollen.
Auf dem Weg durch die Stadt zum Eingangstor des früheren „neuen Lagers“ sollen die Schüler sich fragen, welche der Häuser, die sie sehen, so alt sind, dass sie damals schon gestanden haben. Durch diese Beobachtungen wird den Schülern klar, dass die Menschen in Leonberg von diesem Konzentrationslager wussten. Sie konnten nicht aus dem Weg gehen, weil das KZ direkt an ihre Häuser grenzte.
An der zweiten Tafel bekommen die Klassen von einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin der Gedenkstätte eine Postkarte gezeigt, auf der ein Luftbild des ehemaligen Lagers zu sehen ist. Jetzt bemerken sie auch, dass viele der früheren KZ-Gebäude heute noch stehen, nur anders genutzt werden.
Auf dem Weg zum alten Engelbergtunnel ist die dritte Station die Blosenbergkirche. Die Metallgussplatte, hinter der das Buch mit den Namen aller in Leoberg Verstorbenen aufbewahrt wird, soll von den Schülern interpretiert werden:
Zu erkennen sind die Gleise, einen Korb Kirschen als Zeichen für die Hilfe mancher Leonberger und der Tunnel mit dem Umriss einer Tragfläche.

Die Schüler bekommen im Laufe der Führung sehr viele neue Informationen und Eindrücke, die sie in der kurzen Zeit nicht alle aufnehmen und verarbeiten können.
Deswegen würde es sich anbieten mit den Schülern eine längere Pause in die Führung einzubauen. Entweder in der Blosenbergkirche oder vor dem alten Engelbergtunnel, wo die Eindrücke noch stärker präsent sind.

Der Lehrer müsste den Schülern mehrere Möglichkeiten der Reflexion geben, da auch jeder Schüler ganz individuell mit diesem Thema umgeht.

a) Ein Teil der Schüler könnte beispielsweise in den Tunnel blicken und aufmalen oder schreiben, was sie sehen. Wie stellen sie sich den Betrieb damals dort vor oder was sehen sie. Welche Geschichten erzählt der Tunnel?

b) Ein anderer Teil der Schüler könnte sich vielleicht die neu angebrachte Namenswand vor dem Tunnel anschauen und über die Bedeutung dieser Tafel nachdenken. Wieso ist es so wichtig, dass die Nummern von damals wieder Namen bekommen?

Andere interessierte Schüler könnten sich mit Ausschnitten von Zeitzeugenberichten beschäftigen. In Leonberg gibt es viele verschiedene dieser Zeugnisse. Der Lehrer könnte bewusst solche auswählen, die sich möglicherweise widersprechen. Dadurch entsteht vielleicht eine Diskussion innerhalb der Klasse im abschließenden Gespräch.

Zeitzeugenberichte könnten aber auch ohne Widersprüche einfach gelesen werden. Als Abschluss sollen die Schüler eine Geschichte, eine Begebenheit oder eine Kleinigkeit, die sie besonders in diesen Berichten berührt hat, ihren Mitschülern vortragen.

Von einem Gestapo-Häftling aus den Niederlanden gibt es ein Tagebuch, das er in seiner Zeit in Leonberg geschrieben hatte. Man könnte den Schülern dieses Tagebuch ausschnittweise zur Verfügung stellen, damit sie anhand dieses Zeugnisses den ungefähren Tagesablauf der holländischen Zwangsarbeiter, die in der "Kaserne" untergebracht waren, rekonstruieren könnten.

Nachdem jeder Schüler eine Art der Verarbeitung genutzt hat, wäre ein Zusammentragen der Ergebnisse sinnvoll. Das Vortragen der eigenen Ergebnisse sollte aber nicht verpflichtend sein, da der Umgang mit den eigenen Gefühlen und Erfahrungen etwas sehr persönliches ist und möglicherweise nicht von allen Schülern offen gezeigt werden will.
Man könnte möglicherweise auch diese Ergebnisse ohne jede Besprechung erst einmal auf sich beruhen lassen.

Nach der letzten Tafel auf dem Blosenberg beim früheren Massengrab kommen noch weitere Eindrücke zu diesen eben Verarbeiteten hinzu. Sie geben den Schülern möglicherweise eine noch etwas andere Perspektive oder sie lassen das eben Erarbeitete in einem anderen Licht erscheinen.
Jetzt, am Ende des Weges der Erinnerung, müsste aber ein Abschluss erfolgen. Damit die Schüler einerseits mit dem KZ und allen damit verbundenen Gefühlen abschließen können und sie dies nicht noch weiter verfolgt. Andererseits muss aber auch klar sein, dass die Schüler aus diesem Besuch in Leonberg etwas mit nach Hause nehmen. Das Beste wäre ein schriftlicher Beleg der Ergebnisse ihrer Reflexion. Doch im anschließenden Klassengespräch sollte auch das Gefühl der anderen und andere Denkweisen klar werden und auch akzeptiert werden.

6. Schlussbemerkung

Wir sind der Meinung, dass die Gedenkstätte in Leonberg für die Schülerinnen und Schüler, sowie für die Lehrerinnen und Lehrer aus verschiedenen Aspekten sehr interessant ist.
Zum Einen wird dadurch, dass die Gedenkstätte ein Weg ist, deutlich, dass der tägliche Weg der Gefangenen, sowie ihre Ankunft und der Abtransport nicht unbemerkt durch die Zivilbevölkerung geschehen konnte. Durch den Gang durch den Ort, bei dem dies ganz deutlich wird, wird den Schülerinnen und Schülern klar, dass sich niemand aus der Zivilbevölkerung hinter dem Argument verstecken kann, man habe von nichts gewusst. Gleichzeitig können sich die Schülerinnen und Schüler über Handlungsspielräume, geleistete oder unterlassenen Hilfe der Anwohner Gedanken machen.

Durch die verschiedenen Materialien können sich die Schulklassen intensiv mit der Geschichte des KZ Leonbergs auseinandersetzen, zumal sie sich durch viele Zeitzeugenberichte mit den persönlichen Schicksalen auseinandersetzen können, und erfahren, wie diese Jahre im KZ das weitere Leben der Männer geprägt hat. Da viele der KZ-Häftlinge erst 15 und 16 Jahre alt waren und sich die Schülerinnen und Schüler in ähnlichem Alter befinden, gehen wir davon aus, dass die Betroffenheit und in Beziehung setzen zum eigenen Leben noch verstärkt wird.

Am Beispiel des KZ Leonbergs tritt der Irrsinn des Krieges deutlich hervor. Wo schon alles verloren ist, werden Menschen gezwungen unter schlimmsten Bedingungen Kriegsmaschinen, hier in Form von Teilen für das Düsenflugzeug Me 262, das schon beim Abtransport durch alliierte Truppen wieder zerstört wurde, zu montieren, in der Hoffnung dem Krieg eine entscheidende Wendung geben zu können.

Durch die engagierte Arbeit der ehrenamtlich Tätigen der Gedenkstätte werden die Schulklassen sowie die Lehrrinnen und Lehrer umfassend über die Geschichte als solche, die Entstehung der Gedenkstätteninitiative, deren Arbeit und die Schwierigkeiten, die sich stellten, sowie das erste Zusammentreffen mit Überlebenden, über die Gespräche mit ihnen und den heutigen Kontakt ausführlich informiert.

Für uns war der Besuch der KZ-Gedenkstätte in Leonberg eine Bereicherung, weshalb wir jederzeit mit einer Schulklasse die Gedenkstätte bzw. den „Weg der Erinnerung“ besuchen würden.

7. Literaturverzeichnis

Bauer, Joachim/ Wörner, Birgit (Hrsg.): Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg, Leonberg 2001, Bezug: Stadtverwaltung, Kulturamt, 71226 Leonberg

Glauning, Christine/ Pflug, Konrad (Hrsg.): Arbeit und Vernichtung. Das Außenlagersystem des KZ Natzweiler-Struthof. Beiträge zur Jahrestagung 2002 der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkinitiativen Baden- Württemberg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart. 2004

Röhm, Eberhard/ Schiele, Wolfgang. Auf den Spuren von KZ und Zwangsarbeit in Leonberg. Leonberg, hg. von der Stadt Leonberg/Stadtarchiv und der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V., 2003

Stationen auf dem „Weg der Erinnerung“. Das KZ-Außenlager Leonberg 1944-1945, hg. von der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V., 2005