80 Jahre Kriegsende und die Situation heute

Gedenken zum Kriegsende in Leonberg „Demokratie braucht Herz und Humor“

Leonberger Kreiszeitung 09.05.2025 - 14:51 Uhr
Gedenken zum Kriegsende in Leonberg: „Demokratie braucht Herz und Humor“
Bewegend: Zeitzeuge Eberhard Röhm, Gründer der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg, berichtet aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs Foto: Simon Granville

    Beim Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren blicken in Leonberg die Redner zurück, aber auch nach vorn. Allen ist bewusst, wie ernst die Lage aktuell ist.

    Jazz mitten auf dem Marktplatz – nicht alltäglich in Leonberg. Doch die Musik, so leicht sie sich auch anhören mag, umspielte ein schweres Thema. Die Band, von Veranstaltungsorganisatorin Angie Weber-Streibl als „neugegründete Leonberg Liberation Unit“ vorgestellt, trat im Programm des Gedenkens an den 8. Mai 1945 auf – dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und damit des Endes des Zweiten Weltkriegs. Eingeladen hatte das Bündnis „Leonberg bleibt bunt.

    Anna Walther: „Demokratie braucht Herz und Humor“

    Die Stimmung am Donnerstagabend war schwierig zu greifen. „Gute Laune“, wie sie Anna Walther in ihrer Rede hervorhob, war nicht bei jedem erkennbar, eher schon Nachdenklichkeit. Die Bürgermeisterin von Schönaich hielt die letzte Rede, und sie ging im Kontext vor allem auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. Aus Gründen. Walther selbst ist in Kiew aufgewachsen – und ihr Bruder bereitet sich zur Stunde auf seinen Einsatz an der Front vor. „Wer heute die Ukraine verteidigt, der verteidigt auch Berlin, Paris, Schönaich und Leonberg“, sagte sie.

    Natürlich ging es aber auch um die Demokratie als solche. Und diese brauche auch Herz und Humor – gute Laune eben. Die Zeit des Nationalsozialismus sei hingegen finster, grausam und schlecht gelaunt gewesen. Doch natürlich gebe es auch in heutiger Zeit Herausforderungen. „Und die beste Antwort darauf ist die Demokratie, solange sie wehrhaft ist und wir sie verteidigen.“

    Der Anlass der Zusammenkunft auf dem Marktplatz war per se kein trauriger. Immerhin fiel mit dem Kriegsende der Startschuss für ein demokratisch regiertes Europa. Dennoch waren sich alle Anwesenden darüber im Klaren, dass eben jene Demokratien in der jüngsten Vergangenheit fragil geworden sind. Daher schwangen auch nur wenige zwischen den Reden zur Musik das Tanzbein.

    Rednerin und Redner bei der Gedenkveranstaltung: (vorne von links) Anna Walther (Bürgermeisterin Schönaich), Joy Alemazung (Bürgermeister Heubach) und Martin Georg Cohn (OB Leonberg) Foto: Simon Granville

    Bei seiner Eröffnungsrede forderte Oberbürgermeister Martin Georg Cohn schließlich Wachsamkeit und entschlossenes Auftreten, um die demokratischen Werte zu verteidigen. Cohn ist jüdischer Abstammung, seine Urgroßtante und sein Urgroßonkel wurden von den Nationalsozialisten ermordet. „Gedenken sollte keine rückwärtsgewandte Pflichtübung sein.“ Und weiter mahnte der OB an: „Wir haben hoffentlich aus der Geschichte gelernt.“

    Eberhard Röhm berichtet aus seiner Kindheit

    Aus seiner Kindheit und Jugend berichtete im Anschluss Eberhard Röhm, inzwischen hochbetagter Gründer der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg. „Es hat Jahre gedauert, bis ich begriffen habe, wie sehr ich als Kind verführt wurde“, sagte der 1928 geborene Zeitzeuge. Er macht keinen Hehl aus seiner damaligen Bewunderung für die deutschen Soldaten. Doch es sei die „Wahnidee eines großdeutschen Reichs“ gewesen. Heute sagt er dazu: „Ich verdanke meinen Lehrern die Befreiung von Fake News, von der Gehirnwäsche.“

    Auch das Thema Flucht sprach Röhm an: „1950 war fast ein Viertel der Leonberger Bevölkerung Flüchtlinge.“ Überhaupt Leonberg: Die Stadt sei bereits am 21. April 1945 von französischen und marokkanischen Truppen befreit worden.

    Alemazung: „Integration ist Hol- und Bringschuld“

    Joy Alemazung, Bürgermeister der Stadt Heubach, betonte im Anschluss: „Freiheit kann nur in Sicherheit gelingen.“ Der gebürtige Kameruner ging auch auf weitere aktuelle Themen ein. Er betonte etwa, dass Integration kein Selbstläufer sei. „Es ist eine Hol- und eine Bringschuld.“ Aber das er nun als schwarzer Bürgermeister in Deutschland hier auf dem Leonberger Marktplatz stehe, „zeigt, wie weit wir schon gekommen sind“. Allerdings: „Migration ist eine Chance für alle, wenn wir sie gut gestalten.“


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