Damit so etwas nie wieder passiert

von Nathalie Mainka
Renate Stäbler und Monica Mather befassen sich mit der Zeit nach dem Leonberger KZ - Schrift jetzt erhältlich
Leonberger Kreiszeitung, 25. März 2008

Leonberg. "Schwierigkeiten des Erinnerns" - unter diesem Titel haben zwei Warmbronner Frauen, Renate Stäbler und Monica Mather, den Umgang der Leonberger mit dem Konzentrationslager nach 1945 recherchiert und aufgearbeitet. Diese Schrift ist jetzt erschienen.

"Leonberg, Frühsommer 1945. Das Holzbarackenlager des Konzentrationslagers ist nach Evakuierung der Häftlinge und Ausplünderung der Räume durch die Bevölkerung niedergebrannt worden. Der kommissarische Bürgermeister Gotthold Ege gestattet den Abtransport eines verbliebenen Aborthäuschens und von Teilen des Stacheldrahtzauns auf private Grundstücke. Sowohl die Rückgabe der Grundstücke des Alten Lagers bzw. die Entschädigung der Grundstücksbesitzer als auch die Überlassung der Massivbauten des neuen Lagers an den Fürsorgeverein (später Samariterstiftung) werden noch Jahre in Anspruch nehmen.

Aber es gibt noch eine problematischere Hinterlassenschaft der SS: die KZ-Toten. Sie sind auf dem nahe gelegenen Blosenberg verscharrt und lediglich mit Erde bedeckt worden. Dabei kann es nicht bleiben. Das wird dem Bürgermeister und dem Gemeinderat langsam klar."

"Zurück blieben die Toten" - mit diesen Worten überschreiben Renate Stäbler und Monica Mather das erste Kapitel ihrer Schrift. Ihre Nachkriegsgeschichte ist eine Ergänzung des Buches "Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg", das die Geschichtswerkstatt im Jahr 2001 der Öffentlichkeit präsentierte.

"Damals war allen Autorinnen und Autoren bewusst, dass ein wichtiges Kapitel noch fehlte", sagt Renate Stäbler. Doch aus verschiedenen Gründen war dieses nicht zustande gekommen. Zu zweit haben Stäbler und die Journalistin Monica Mather die Geschichtswerkstatt fortgesetzt. Zwei Jahre lang, von 2002 bis 2004, haben sie in mühsamer Arbeit zahlreiche Akten und Dokumente gewälzt, haben sie sich in Zeitungsarchive verschanzt. Nicht zu vergessen die intensiven Gespräche mit Zeitzeugen.

Im Jahr 2004 stellte Renate Stäbler die Ergebnisse der Recherchen erstmals im Rahmen eines Vortrages im Stadtmuseum vor. 2005 veröffentlichte eine Fachzeitschrift für Historiker den Aufsatz. Um diesen der breiten Öffentlichkeit in Form einer Broschüre zugänglich zu machen, fehlte der Gedenkstätteninitiative, in der beide Frauen aktiv mitarbeiten, allerdings das Geld.

Dieses Vorhaben musste warten, denn für den Mai 2005 war ein großes und kostenintensives Projekt geplant. Am alten Engelberg-Tunnel wurde eine Namenswand eröffnet - eine Gedenkstätte, die an die Häftlinge und Zwangsarbeiter erinnert, die an dieser Stelle von 1944 bis 1945 unter unmenschlichen Bedingungen Tragflächen für den Düsenjäger Me 262 produzieren mussten.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative eröffnete vor wenigen Tagen einen Raum im obersten Stockwerk des Samariterstifts in der Seestraße 74, um an die Verbrechen der NS-Zeit zu erinnern. In diesem Rahmen gewährte die Landeszentrale für politische Bildung eine finanzielle Unterstützung für die Veröffentlichung des noch einmal aktualisierten Textes der beiden Autorinnen. "Uns liegt vor allem daran, die Jugend aufzuklären und auch die Nachkriegszeit im Geschichtsbuch zu verankern."

Die Autorinnen befassen sich in dieser Schrift im Wesentlichen mit vier Aspekten. Sie stellen sich zunächst die Frage, wie in der Nachkriegszeit mit den Toten umgegangen wurde. Sie erzählen die Geschichte vom Verscharren der Leichen auf dem Blosenberg, von der Umbettung 1953 in ein anonymes Massengrab auf dem alten Friedhof und von der späten Würdigung nach über 60 Jahren. Die Stätten der Erinnerung füllen das zweite Kapitel - diese werden bald mit einer Dokumentation im alten Engelbergtunnel ergänzt. Wie wurde mit den Überlebenden des Konzentrationslagers umgegangen? Stäbler und Mather berichten, wie bis in die 80er Jahre viele von ihnen unerkannt die Stätte ihrer Leiden besuchten und wie die Stadt erstmals 1985 ehemalige Häftlinge einlud. Die erste große Begegnung fand im Jahr 2001 statt.

Interessantes Hintergrundmaterial haben die Autorinnen ausfindig gemacht, als sie sich mit der Thematik beschäftigten, wer sich in Leonberg um die Aufarbeitung des Geschehens gekümmert hat. Wichtige Arbeit habe hier zunächst die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) geleistet. Die Stadt selbst hatte davon 1950 aus politischen Gründen Abstand genommen. Erst 1978, mehr als 30 Jahre nach Kriegsende, erforschte der Leonberger Jürgen Klingel im Rahmen seines Pädagogikstudiums die Geschichte des Leonberger Konzentrationslagers. Dann ergriff auch die Evangelische Kirche die Initiative, Schulen und verschiedene Gruppen in der Stadt beteiligten sich ebenfalls daran.

Renate Stäbler ist froh, dass die Landeszentrale für politische Bildung die Veröffentlichung der Schrift ermöglichte. "Wir sehen unsere Arbeit als Mahnung, damit so etwas nie wieder passiert", sagt die 70-Jährige.

Die Schrift "Schwierigkeiten des Erinnern" ist bei den Autorinnen Renate Stäbler und Monica Mather, Telefon 0 71 52 / 4 15 89, E-Mail: mather.staebler@t-online.de erhältlich oder bei Eberhard Röhm, Vorsitzender der KZ-Gedenkstätteninitiative, Telefon 0 71 52 / 2 66 40.


zurück