Die Erinnerung an das Leiden lebendig halten

von Stefan Bolz
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus auch in Leonberg
Leonberger Kreiszeitung, 27. Januar 2006

Leonberg. Am 27. Januar 1945 haben Einheiten der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Seit 1996 wird an diesem Tag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht - auch der 389 Menschen, die im Konzentrationslager Leonberg ihr Leben ließen.

Auschwitz und Leonberg - im Leben von Menschen wie Mordechai Nojovits oder Moshe Neufeld stehen diese beiden Namen dicht beieinander. Es sind Namen in einer langen Liste von Orten des Leidens, an die es sie in ihrer Jugend verschlagen hat. Denn kurz bevor die Sowjetarmee die Vernichtungslager in Polen erreicht hatte, schickte die SS deren arbeitsfähige Insassen noch auf Todesmärsche gen Westen. Viele von ihnen kamen Ende 1944 und Anfang 1945 auch nach Leonberg, wo sie in einem Außenlager des KZ Natzweiler unter unmenschlichen Bedingungen Tragflächen für die Düsenjäger der Luftwaffe herstellen mussten.

An ihr Schicksal erinnert in Leonberg die KZ-Gedenkstätteninitiative, und dies nicht nur am 27. Januar. „Wir sind eigentlich das ganze Jahr mit diesem Thema beschäftigt“, sagt der Vorsitzende der Initiative, Eberhard Röhm. Besonders wichtig seien dabei Veranstaltungen mit Jugendlichen. Denn die Geschichte des Dritten Reiches sei zwar Pflichtstoff an den Schulen. „Aber wenn man die authentischen Orte des Unrechts für die jungen Leute erfahrbar macht, bringt das viel mehr“, lautet die Erfahrung Röhms.

So war auch die diesjährige Veranstaltung, die die Initiative im Zusammenhang . mit dem 27. Januar organisiert hat, ein Vortrag am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Professor Götz Aly beschrieb die Methoden der nationalsozialistischen Machthaber, mit sozialen Wohltaten die Bürger regelrecht zu korrumpieren. Nur eine Facette des NS-Regimes.

Aber mit den in einem Buch zusammengefassten Ergebnissen der Leonberger „Geschichtswerkstatt“, dem „Weg der Erinnerung" in der Leonberger Seestraße oder dem KZ-Mahnmal vor dem alten Autobahntunnel ein Baustein, der die Erinnerung wach hält.
Bei ihrer Hauptversammlung gestern Abend hat die Gedenkstätteninitiative zudem einige neue Ideen diskutiert. Eine davon soll in einem Raum im Samariterstift verwirklicht werden, den die Heimleitung der Initiative zur Verfügung stellt. Das Samariterstift steht auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers.

„Der Raum muss noch ausgebaut werden. Aber wir wollen möglichst bald zusammen mit den Schulen überlegen, was wir dort an Veranstaltungen machen können“, berichtet Röhm. Auch im alten Autobahntunnel, der während des Krieges als unterirdische Rüstungsfabrik diente, sollen Tafeln mit Informationen das Mahnmal am Eingang ergänzen. Für dieses Projekt werden allerdings noch Sponsoren gesucht.
An einem anderen Ort ist die Erinnerung an das KZ Leonberg seit einigen Wochen wieder erfahrbar:

Im elsässischen Natzweiler, dem Leonberger „Stammlager“, ist seit Anfang November eine neu konzipierte Ausstellung zu sehen. Nieten aus der Tragflächenproduktion im Autobahntunnel, Fotos und ein Begleittext geben dort einen Einblick in die Bedingungen, unter denen die knapp 3000 Gefangenen in Leonberg zu leiden hatten. Bis im April 1945 die SS die noch lebenden Insassen auf neue Todesmärsche in Richtung Bayern schickte.

Die Arbeit der Leonberger Initiative steht nicht allein. Auch an anderen Orten in der Region, etwa in Echterdingen, stellen sich interessierte Bürger der Geschichte vor ihrer Haustür. Mit ihnen steht Eberhard Röhm in Kontakt. Damit die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus lebendig bleibt. Nicht nur am 27. Januar.


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