Ein Raum erinnert an das NS-Verbrechen

von Nathalie Mainka
Projekt der Gedenkstätteninitiative
Leonberger Kreiszeitung, 15. März 2008

Leonberg. Gegen das Vergessen: Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg hat im Samariterstift einen Raum eingerichtet, um die Erinnerung an die von den NS-Machthabern betriebene KZ-Außenanlage wachzuhalten und das Andenken an die Opfer zu bewahren.

Die Treppen führen hinauf in den vierten Stock des Samariterstifts in der Seestraße 74. Hier unter dem Dach ist der Ort, der an das Verbrechen im Dritten Reich erinnert. Hinter Glas ist der Arbeitsanzug eines ehemaligen Häftlings zu sehen, in der Vitrine daneben alte braune Schuhe und ein Löffel, in den eine Häftlingszahl eingraviert ist. Eingerahmte Dokumente und Fotos an der Wand zeigen die bewegende Arbeit der KZ-Gedenkstätteninitiative. Die kleine Bibliothek ist momentan vorwiegend mit privaten Exemplaren bestückt. Sie soll im Laufe der Zeit noch größer werden.

Das Gelände des heutigen Samariterstifts in der Seestraße ist historischer Boden. Von Dezember 1944 bis April 1945 standen bei Schichtwechsel jeden Morgen zwischen fünf und sechs Uhr sowie in den Abendstunden zwischen sechs und sieben Uhr rund 700 KZ-Häftlinge in Fünferreihen auf dem Innenhof. Sie wurden gezählt. Und so wusste man, wer nicht mehr da war, wer in der Nacht oder während der Arbeit gestorben war, wer geflohen war.

Das NS-Regime hatte in der heutigen Seestraße eines von vielen Außenlagern des Konzentrationslagers Natzweiler errichtet. Häftlinge und Zwangsarbeiter aus zwei Dutzend Nationen wurden hier unter unmenschlichen Bedingungen in den Röhren des Engelberg-Tunnels ausgebeutet. Die Firma Messerschmitt hatte in die bombensicheren unterirdischen Räume die Produktion von Tragflächen für den Düsenjäger Me 262 verlagert.

1999 wurde die Gedenkstätteninitiative ins Leben gerufen, am 17. Februar 2000 folgte die Gründung eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins. "Auf dem Boden des Samariterstifts ist unsere Initiative entstanden. Hier genießen wir seit Jahren eine besondere Gastfreundschaft und jetzt bekommen wir langfristig einen Raum zur Verfügung gestellt", sagte gestern Eberhard Röhm, Vorsitzender der KZ-Gedenkstätteninitiative und bedankte sich für die Zusammenarbeit.

Hartmut Fritz, Vorsitzender der Samariter-Stiftung und Gründungsmitglied der Initiative, weiß um die Not und Notwendigkeit des lebendigen Gedenkens. Gleich zwei Einrichtungen des Samariterstifts, in Leonberg und in Grafeneck auf der Schwäbischen Alb, stünden auf einem geschichtsträchtigen sowie tränen- und opferreichen Boden.

Deshalb fühlte er sich in der Pflicht, einen Raum zur Verfügung zu stellen. "Das Gedenken braucht Wege und Orte, wo erfahren und anschaulich werden kann, was im sozialen und politischen Gedächtnis unserer Gesellschaft nicht vergessen werden darf", betonte Fritz. Den Ausbau und die Ausstattung des Raumes mitfinanziert hat die Landesstiftung. Eberhard Röhm und seine Kollegen möchten hier künftig Schülergruppen versammeln und sie über die Geschichte informieren. Er wünsche sich, dass in allen Leonberger Schulen das Thema KZ Leonberg in den Lehrplan aufgenommen werde, sagte Röhm.

Rechtzeitig zur Eröffnung des Gedenkstättenraumes ist auch eine neue Publikation von Renate Stäbler und Monica Mather erschienen. "Schwierigkeiten des Erinnerns. Über den Umgang der Leonberger mit dem KZ nach 1945". Darin kritisieren die Autorinnen die Tabuisierung und Verdrängung von NS-Verbrechen in Leonberg. "Obwohl oder gerade weil ein solches Verbrechen mitten in der Stadt geschehen ist", so Stäbler.


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