Gerangel um Nutzung des alten Engelbergtunnels

von Birgit Klein
Stuttgarter Nachrichten, Region Stuttgart, 28. Mai 2002

Industrie will Teststation - Bürger KZ-Gedenkstätte

Leonberg - Noch ist nichts entschieden, diskutiert wird aber schon heftig. DaimlerChrysler und Bosch liebäugeln mit dem alten Engelbergtunnel als Teststation für Autoscheinwerfer - nicht nur zur Freude der Mitglieder der KZ-Gedenkstätteninitiative.

Die Daimler-Anfrage bei der Stadt Leonberg, ob Bosch nach derzeitigen Planungen an drei Tagen pro Woche drei Stunden lang im Auftrag des Automobilherstellers in der stillgelegten Tunnelröhre Autoscheinwerfer testen könne, hat die Initiative gespalten. Sie hat eigene Pläne mit dem alten Engelbergtunnel. Ein Teil lehnt den Autobauer als Nutzer jedenfalls rundweg ab, sagt Eberhard Röhm, Vorsitzender der KZ-Gedenkstätteninitiative.

Denn Daimler hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Teile der Rüstungsfirma Messerschmidt übernommen, die in Deutschlands ältestem Autobahntunnel zuvor von KZ-Häftlingen Tragflächen des Düsenjägers ME 262 hatte produzieren lassen. Die SS betrieb vom Frühjahr 1944 bis April 1945 in Leonberg ein Konzentrationslager.

Die andere Fraktion innerhalb der Gedenkstätteninitiative rechne dagegen DaimlerChrysler die konsequente Haltung in der Frage der Zwangsarbeiterentschädigung hoch an und erhoffe sich durch das Engagement des Unternehmens auch eine Lösung technischer Probleme, erläutert Röhm. Seit die Weströhre auf Gerlinger Seite aufgefüllt wurde, ist es darin sehr feucht. Bei Untersuchungen im vergangenen Jahr wurden Schimmelpilzsporen entdeckt. Auch fehlt ein Fluchtweg. Für die Sanierung müsse der Nutzer aufkommen, macht Leonbergs Baubürgermeisterin Inge Horn deutlich.

Von einer Lösung würde die Gedenkstätteninitiative profitieren. Sie hat jüngst ihre Vorstellungen über die Gestaltung des Tunnels zu einer weiteren Gedenkstätte in Leonberg vorstellte. Ein Metallgerüst im Innern mit Projektionen soll einen Eindruck des Arbeitsalltags der KZ-Häftlinge vermitteln.

Entschieden ist aber bislang noch nichts. Nach dem Urlaub von Oberbürgermeister Bernhard Schuler wird man sich mit DaimlerChrysler, Bosch und der Gedenkstätteninitiative an "einen Tisch setzen", erläutert Horn das weitere Vorgehen. Über die endgültige Nutzung des stillgelegten Tunnels soll der Gemeinderat möglichst noch vor der Sommerpause entscheiden.


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