Häftlinge bekommen ihre Namen wieder

von Ludwig Laibacher
Leonberger Initiative weiht am ehemaligen Konzentrationslager ein Mahnmal für Naziopfer ein
Stuttgarter Zeitung, 4. Mai 2005

LEONBERG. In Leonberg steht das Gedenken zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am nächsten Wochenende im Zeichen der Erinnerung an die KZ-Häftlinge. Am Sonntag um 11.30 Uhr wird eine Wand enthüllt, in die 2892 Namen eingeschnitten sind.

Mehr als 3000 Häftlinge und Zwangsarbeiter waren zwischen April 1944 und dem Kriegsende im SS-geführten Konzentrationslager Leonberg untergebracht. Sie wurden gezwungen, im Engelbergtunnel Flugzeugteile für die Firma Messerschmitt zu produzieren. Viele von ihnen haben es nicht überlebt: Sie starben bereits im Lager oder auf einem Todesmarsch, auf den sie kurz vor Ankunft der Alliierten geschickt worden sind.

Seit langem bemüht sich die Leonberger Gedenkstätten-Initiative diese Erinnerung wach zu halten. Jetzt hat sie den Bau einer Stahlwand durchgesetzt - entlang einer Stützmauer, die zum alten Tunnel führt. Das drei Meter hohe und 25 Meter lange Werk, das am Sonntag eingeweiht wird, hat der Tübinger Bildhauer Johannes Kares geschaffen. "Allein die Dimension der zu bewältigenden Fläche für so viele Namen von Opfern bedurfte besonderer Entscheidungen für das zu wählende Material und dessen Bearbeitung", sagt Christina Ossowski, die Leiterin des Sport- und Kulturamtes.

Mit Laser hat der Künstler die bisher ermittelten Namen von 2892 KZ- und 15 Gestapohäftlingen in das Material gebrannt. Für die Schrift hat Kares Buchstaben verwendet, wie sie auf Kisten zu finden waren, in denen während des Krieges Industriegüter verpackt wurden. Die Namen hat er so angeordnet, dass ihre grafische Gestalt den Eindruck von Menschengruppen erweckt.
Der einleitende Satz auf einer Texttafel lautet: "Sie waren nur Nummern, über 3000 Männer aus 24 Ländern Europas, von den Nazis verschleppt." Mit dem Mahnmal sollen die ehemaligen Häftlinge ihre Namen zurückbekommen. Sein Werk solle, so der Künstler, schnörkellos sein und so eine Atmosphäre von Ruhe und Besinnung herstellen.

Zur Einweihung am Wochenende werden neben der örtlichen Prominenz insgesamt 88 Gäste erwartet; darunter ein ehemaliger Zwangsarbeiter und 13 ehemalige Häftlinge mit ihren Angehörigen. Außerdem werden sehr viele Kinder und Enkel der Toten anreisen, um ihren Vätern und Großvätern die Ehre zu erweisen, sagt Eberhard Röhm, der Vorsitzende der KZ-Gedenkstätteninitiative. Sie werden aus Frankreich, Italien, Israel, Holland, Slowenien, Tschechien, der Ukraine und Ungarn anreisen.

Für das ursprünglich auf 50 000 Euro veranschlagte Kunstwerk aus 16 Stahlplatten muss die KZ-Initiative nun tatsächlich 60.000 Euro zahlen. Probleme mit dem Fundament für die tonnenschwere Wand haben die Kosten in die Höhe getrieben.

Während der Feierlichkeiten am Sonntag werden die Initiativen-Mitarbeiter in einem Zelt am Tunnel Gegenstände aus dem Konzentrationslager und aus der damaligen Messerschmitt-Produktion zeigen. Außerdem wird eine 40-seitige Broschüre mit dem Titel "Stationen auf dem Weg der Erinnerung" angeboten. Als Redner werden Landrat Bernhard Maier, Oberbürgermeister Bernhard Schuler und Eberhard Röhm auftreten. Für die Überlebenden spricht Alber Montal.


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