Häftlinge kommen zu Wort

von Monica Mather
Leonberger Kreiszeitung, 2. Juni 2003

LEONBERG - Der Film "Die Überlebenden des KZ Leonberg'' zeigt aktuelle Interviews mit ehemaligen Häftlingen. Nur wenigen Zuschauern ist bei der Vorführung bewusst geworden, dass diese Interviews großteils nur möglich waren, weil die Befragten bei ihrer Inhaftierung Jugendliche, ja manche fast noch Kinder waren.

Es gab sogar im neuen Lager - auf dem Gelände des heutigen Samariterstifts - einen ganzen Jugendblock mit etwa 70 bis 80 Jugendlichen. Darin waren auch zwei Franzosen gefangen, die der Geschichtswerkstatt über ihr Schicksal Auskunft gaben: der damals 15-jährige Albert Montal aus Charmes und der damals 17-jährige Roger Colin aus Vieux Moulin. Beide wurden von der SS als Geiseln in Konzentrationslager verschleppt. Sie büßten für Widerstand, den sie gar nicht geleistet hatten.
Doch gab es Widerstand gegen das Nazi-Regime in der Region der Vogesen und des Oberlaufs der Mosel durchaus.

Dort wurde im Herbst 1944 von den Deutschen eine Befestigungslinie errichtet, die den Vormarsch der alliierten Truppen in Richtung Deutschland aufhalten sollte. Zum Bau des Schutzwalls wurden rund 60 000 Hitlerjungen und die Bewohner der Orte, durch die der Wall lief, herangezogen. Im Zuge der Rückeroberung Frankreichs durch die Alliierten flüchteten immer mehr SS- und Gestapo-Einheiten nach Osten. Sie erhielten die Aufgabe, die Region, in der der Schutzwall errichtet wurde, von französischen Widerstandskämpfern zu "säubern''. Bereits Ende August wurden in Epinal Deportationstermine und der Personenkreis festgelegt. Alle Männer zwischen 17 und 35 Jahren sollten deportiert werden - Altersgrenzen, die letztlich nicht eingehalten wurden.

Am 6. September 1944 wurde in Gérardmer die ganze Bandbreite möglicher Sanktionen festgelegt. Die Konferenz von Gérardmer stand im unmittelbaren Zusammenhang mit der Niederschlagung einer Erhebung in Charmes am 5. September. Von den Deportierten aus der kleinen Stadt am Oberlauf der Mosel, die im KZ Leonberg waren, überlebten auch der damals 15-jährige Albert Montal und die beiden 17-jährigen Michel Didier und Michel Fouchecourt. Albert Montal berichtete über das Geschehen in Charmes: Als Folge der Kämpfe zwischen Résistance und SS sei die Stadt angezündet und die ganze Bevölkerung in eine Parkanlage getrieben worden, wo die Frauen und Kinder von den Männern getrennt wurden.

Roger Colin aus Vieux Moulin im Tal des Rabodeau - seit der SS-Terroraktion "Tal der Tränen'' genannt - war mit Albert Montal im Jugendblock des Leonberger Lagers. In seiner Gemeinde hatte es einen Bunker aus dem Ersten Weltkrieg und ein geheimes Waffendepot gegeben. Als diese von den Deutschen gefunden wurden, verhafteten die Deutschen am 5. Oktober 1944 alle Männer des Dorfes. Alle, auch der 17-jährige Colin, gingen den gleichen Weg


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