Kampf gegen rechts eint viele in der Stadt

von Michael Schmidt
Ein breites Spektrum aus Kirchen, Parteien und Gewerkschaften lauscht beim Holocaust-Gedenktag dem Münchner Autor Robert Andreasch. Der warnt vor allem vor faschoistoiden Einstellungen in der Breite der deutschen Bevölkerung.
Leonberger Kreiszeitung, 30. Januar 2012

Der Holocaust-Gedenktag in Leonberg ist friedlich geblieben. Es gab keinen Aufmarsch von Rechtsextremen gegen einen Vortrag bei der KZ-Gedenkstätten-Initiative, es gab keine Eskalation. Stattdessen gab es ein massives Polizeiaufgebot sowie eine engagierte Diskussion mit polemischen Spitzen im völlig überfüllten Saal der Blosenbergkirche.

Und eine Buntheit an Zuhörern, die das beschauliche Gemeindehaus so wohl noch nie gesehen hat: Von der Linkspartei, Antifa-Aktivisten, Gewerkschaftern, Landtagsabgeordneten bis hin zu Pfarrern und bürgerlichen Gemeinderäten reichte das Spektrum der Zuhörer. Aus Sorge vor Gewalt hatte die Stadt die jahrelange Kooperation mit der KZ-Gedenkstätten-Initiative aufgekündigt und zu einem eigenen Holocaust-Gedenken ins Stadtmuseum eingeladen.

Für den Mann, um den sich letztlich der Wirbel gedreht hat, ist das ein Zeichen, wie schwer man sich in Deutschland im Umgang mit Rechtsaußen tut. „Es genügt die Androhung von Gewalt auf irgendeiner-Internet-Homepage, um solch eine Veranstaltung zu torpedieren", sagte Robert Andreasch. Der Münchner arbeitet als Journalist und ist versteckten Neonazi-Netzwerken auf der Spur, schildert die Zusammenhange der Szene.

Im vergangenen Herbst hatte er schon einmal bei einer „Antifaschistischen Aktionswoche" referiert, in dessenAnschluss der Versuch einer rechtsextremen Gegendemo zu Randale geführt hatte.

„Wenn der Oberbürgermeister die Sicherheit in der Stadt gefährdet sieht, dann liegt das in seiner Verantwortung", sagte der langjährige Vorsitzende und Gründer der KZ-Gedenkstätten-Initiative Eberhard Röhm. Der Pfarrer im Ruhestand war sichtlich betroffen, weil der OB Schuler öffentlich der KZ-Initiative vorgeworfen hatte, Gewalt zumindest billigend in Kauf zu nehmen. „Wer mich kennt, weiß, dass ich stets ein Apostel für gewaltfreies Handeln war und in diesem Geist auch junge Menschen unterrichtet habe", sagte der Religionspädagoge Röhm. Dennoch sieht er das Tischtuch nicht zerschnitten - er hoffe auf eine gemeinsame Veranstaltung 2013.

Der anwesende Ordnungs- und Sozialbürgermeister Ulrich Vonderheid (CDU) dürfte diese Aussage neben den Fakten, die Andreasch aus dem rechtsextremen Spektrum darstellte, wohl noch am ehesten als Gewinn mitgenommen haben. Denn ansonsten war seitens des Publikums vor allem heftigste Rathaus-Kritik angesagt: Gegen den Oberbürgermeister solle ein Abwahlverfahren eingeleitet werden, er sei mit seinem Verhalten ein „Steigbügelhalter für rechts", rief ein Gast, der anonym bleiben wollte. „Wenn sich der OB an einem Referenten stört, den die Nazis auf ihren Index gesetzt haben, dann macht er sich deren Index zu eigen", kritisierte der lokale Pärteivorsitzende der Linken, Günter Roth. Wechselweise stand auch die Leonberger Kreiszeitung am Pranger („Hofberichterstattung") oder die Polizei („auf dem rechten Auge blind").

Andreasch machte Mut, „sich von der popeligen Diskursmacht der Nazis nicht einschüchtern zu lassen". Selbst wenn es mit Janus Nowak einen Böblinger NPD-Kreisrat gebe: „Parlamentarisch reißen die nichts". Als sehr viel bedrohlicher empfinde er die „latenten Ressentiments in der Bevölkerung". Ein Studie der Uni Leipzig habe ergeben, dass 25 Prozent der Bayern wieder einen „Führer" wollten. Dazu passte, woran Renate Stäbler erinnerte: Als ihre Freundin, die langjährige LKZ-Redakteurin Monica Mather mit einem Artikel erstmals kritisch Leonbergs Vergangenheit als KZ-Stadt benannte, gab es Drohanrufe für die Autorin, zerstochene Autoreifen und anderes. „Es ist nicht so, dass die Stadt uns mit offenen Armen empfängt", sagte sie.

DIE NEONAZI-SZENE IST NICHT GROSS – ABER SEHR LEBENDIG

Information Der investigativ arbeitende Journalist Robert Andreasch versucht seit langem, mit seiner Arbeit auf die Neonazi-Netze im süddeutschen Raum hinzuweisen. Durch die Aufdeckung der Thüringer Nazizellen erhält seine Arbeit neues Gewicht.

Nazi-Terror Gerade die bayrischen Rechtsextremen hätten ihre thüringischen Kameraden aus dem Umfeld der jetzt bekannt gewordenen Naziterrorzelle unterstützt. Es gebe aber auch eine Verbindung nach Baden-Württemberg, sagt Andreasch. Das aktive CDU-Mitglied Klaus Harsch nannte er als Beispiel: Der Rastatter hatte sich als Rechtsanwalt zuletzt von Anwaltskollegen des Stuttgarter Büros „H3" distanziert, die wiederum Mitglieder diverser rechtsradikaler Rockbands gewesen sein sollen. Die Musik der Rechtsanwälte Steffen Hammer und Alexander Heinig läuft in den Bekennervideos der thüringer Terrorzelle als Hintergrundmusik. Klaus Harschs einstige Mitarbeiterin Nicole Schneider habe Kontakte innerhalb der NPD zu ihrem Mandanten Klaus Wohlleben gepflegt - der sitzt bekanntlich als mutmaßlicher Unterstützer der Terrorzelle in Untersuchungshaft. Harsch dementierte dies alles.

Bezeichnend Beispielhaft ist für Andreasch auch die Recherche nach einem kleinen Gasthof in der oberfränkischen Provinz. Die Abbruchimmobilie im Dorf Oberprex sei für gerade einmal 7000 Euro an Neonazis gegangen, die das Anwesen für ihre Treffen nutzen würden. Obwohl Andreasch mit einem Reporter des „Spiegel" gemeinsam eine solche Veranstaltung

miterlebt habe, hätten sie sich bei der Polizei anhören müssen, dass es an jenem Tag keine Veranstaltung gegeben habe. Auch ein CSU-Abgeordnter habe eine Kampagne in dem kleinen Dorf unterbunden. „Nur die katholische Kirche war am Ende noch dagegen", sagte Andreasch. Sein Fazit: immer noch schauen Justiz und Polizei bei Verstößen und Provokationen der Rechtsextremen weg.

Lokal „Wir sind eher ein Unterzentrum, was Neonazi-Umtriebe betrifft", analysierte Klaus Beer von der KZ-Gedenkstätten-Initiative die Situation in Leonberg. Aber es sei festzustellen, dass zwischen Linken und Rechten ein „Streit um die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum" zündle. „Wir müssen aufpassen, kein Oberzentrum für rechts zu werden", warnte er.


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