Kein Antifa-Vortrag im Stadtmuseum

von Arnold Einholz
Die Stadt sieht in der Veranstaltung der KZ-GedenkstättenInitiative ein erhebliches Sicherheitsrisiko.
Leonberger Kreiszeitung 18.01.2012

Auch in diesem Jahre erinnert die KZ-Gedenkstätteninitiative am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, an die Opfer des Nationalsozialismus. Auf einer öffentlichen Veranstaltung geht es um das Thema "Die extreme Rechte in Süddeutschland und wie der Verfassungsschutz mit ihr umgeht". Darüber spricht Robert Andreasch am Freitag, 27. Januar, um 19 Uhr, im Blumhardt-Saal der Blosenbergkirche in der Schleiermacherstraße.

Bisher fanden diese Vorträge im Stadtmuseum statt, als gemeinsame Veranstaltung der Gedenkstätteninitiative und des städtischen Kulturamtes. "In diesem Jahre stimmte die Verwaltung, anders als früher, unserer Wahl des Referenten nicht zu", heißt es in einer Mitteilung der Gedenkstätteninitiative, die die stellvertretende Vorsitzende Marei Drassdo und Richter a. D. Klaus Beer für den Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus unterzeichnet haben. Die Verwaltung befürchte, dass der Vortrag rechtsextreme Demonstranten zum Auftreten in Leonberg anreizen könnte.

Robert Andreasch ist Journalist und beschäftigt sich mit Rechtsextremismus. Die Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative setzt mit ihm die Reihe ihrer Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag fort. So referierte hier vor vier Jahren Kurt Möller, von der Fachhochschule Esslingen, über die Verbreitung rechtsextremen Denkens auch in der Mitte in der Gesellschaft.
"Es geht uns nicht um die politische Aussage der Veranstaltung, sondern um die möglichen Begleitumstände und diese können wir nicht akzeptieren", begründet der Leonberger Sozial- und Finanzbürgermeister Ulrich Vonderheid (CDU) den Entschluss. Die antifaschistische Woche im September vergangenen Jahres in den Räumen der Beat-Baracke, bei der auch Andreasch referierte, habe zu einer angemeldeten Kundgebung der Rechten geführt, die dann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit linksextremen Elementen beim Leonberger Bahnhof und in der S-Bahn bis nach Stuttgart geführt hat.

"Es bestehen Sicherheitsbedenken", so Vonderheid, "und weil die Sicherheitslage nicht unserer Vorstellung entspricht, sind wir gehalten zu handeln". Noch bevor sich die KZ-Gedenkstätteninitiative auf einen Referenten festgelegt hatte, habe die Stadt einen kompetenten Fachmann für die Veranstaltung vorgeschlagen, so Vonderheid, deshalb verwundere es ihn, dass die Organisatoren den gleichen Redner nach so kurzer Zeit erneut eingeladen haben. Nach den schlimmen Erfahrungen im September sei das Thema auch im Gemeinderat diskutiert worden, so Vonderheid. In dem Gremium herrsche der Konsens, dass die Stadt keine Räumlichkeiten zur Verfügung stelle werde für Veranstaltungen, die gewaltbereite Extremisten anlocken.
"Wir wollen uns die Wahl von Referenten und Themen auf keinen Fall von der Meinung rechtsextremer Gruppen vorschreiben lassen. Wir beharren deshalb auf der hochaktuellen Art und Weise der Gestaltung des Gedenktages", so Marei Drassdo und Klaus Beer.


Kommentar - Sicherheit zuerst - von Arnold Einholz

Die Stadt will keine Veranstaltung, die Extreme anlockt.
Extreme Gruppen haben neben ihrer Ideologie auch immer ein Feindbild, an dem sie sich reiben. So bekommen Mitläufer ein Betätigungsfeld und den Beweis, dass man gegen etwas kämpfe. Weil die Argumente bei dem schwarz-weißen Weltbild solcher Gruppen schnell aufgebraucht sind, lassen Rechts und Links lieber die Fäuste sprechen, auch im Wissen, dadurch breite öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen.

Es ist kein Einknicken vor rechter Ideologie, wenn die Stadtverwaltung nicht der Hausherr für eine Veranstaltung sein will, die gewaltbereite Extreme beider Lager anlockt. Sie ist zu einer Gratwanderung gezwungen, wenn sie aus einschlägiger Erfahrung keine Räume zu Verfügung stellt, für Veranstaltungen, die in Gewalt enden können. Denn sie ist gehalten, für das Wohl und die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Entspricht die Sicherheitslage nicht ihren Vorstellungen, muss sie handeln. Die politische Unterstützung hat sie sich dabei aus dem gewählten Gremium, dem Gemeinderat geholt. Hier herrscht der klare Konsens, dass städtische Räume nicht die Bühne für Veranstaltungen sind, die Extremisten anlocken.

Bei all der gebotenen Ablehnung von Rechtsextremismus dürfen die Veranstalter deshalb nicht den Fehler machen, die anderen Extremen zu Opfern zu stilisieren. Wer Gewalt propagiert und als Mittel zum Zweck einsetzt, der ist kein Opfer, sondern ein Täter - ob rechts oder links.


Kommentar - Hinstehen - von Michael Schmidt

Die bürgerliche Mitte überlässt Extremisten das Feld
Leonberg hat kein Problem mit Rechtsextremen. Die Stadt hat ein Problem mit seiner bürgerlichen Mitte, die extremistische Umtriebe im Altkreis kaum zum Thema macht. Also zeigen jene in die Wunde, die ihre Weltsicht für allgemeingültig erklären. Das ist immer schlecht, wenn es um den Schutz der offenen Bürgergesellschaft geht.

Man kann im Rathaus niemandem vorwerfen, beim Thema Vergangenheitsbewältigung in den vergangenen Jahren untätig gewesen zu sein. Im Gegenteil. Die Unterstützung der KZ-Gedenkinitiative, der letztlich zu einer eindrucksvollen Gedenkstätte in der einsigen Todesfabrik am Engelberg führte, zeugt von einem ehrichen Umgang mit der eigenen Stadtgeschichte. Umso wichtiger wäre es, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Dass ausgerechnet in einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Landstriche rechte Rattenfänger erfolgreicher sind als anderswo und sogar einen Kreisrat stellen, ist erschreckend. Wem das noch nicht ausreicht: Jenseits der dubiosen Verwicklung aus Verfassungsschutz und ostdeutschen Nazi-Terroristen gibt es in der Region bereits ein Fanal. Muss erst in Leonberg eine Hütte brennen, mit verängstigten Menschen darin ? Umso mehr ist offenes Aufklären geboten und das Hinstehen der Anständigen. Gerade, weil Krach droht. Die Stadtverwaltung geht hier nicht voran - sondern verschließt lieber die Türen. Die Augen auch ?


Kommentar - Falsches Signal aus dem Rathaus - von Thomas Durchdenwald

Auf den ersten Blick mag die Position der Stadt Leonberg verständlich sein. Weil es im vergangenen September am Rande einer antifaschistischen Woche zu regelrechten Jagdszenen zwischen linken und rechten Extremisten gekommen war, will das Rathaus aus Sicherheitsgründen mit einer neuerlichen Veranstaltung zu diesem Thema nichts zu tun haben und verbannt sie aus städtischen Räumen. Auf den zweiten Blick unterliegen die Verwaltung und der Gemeinderat aber verhängnisvollen Fehleinschätzungen.

Erstens: der Veranstalter, die KZ-Gedenkstätteninitiative, ist über jeden Zweifel erhaben, sie sollte von der Stadt gestützt und nicht behindert werden. Zweitens: in der Logik der Stadt könnte der rechtsextreme Mob allein mit der Ankündigung einer Demonstration jedwede Veranstaltung torpedieren. Drittens: wer Aufklärung über Rechtsextremismus verhindert, bereitet - auch ungewollt - den Boden des Wegschauens, auf dem extreme Positionen gedeihen.

Und schließlich ganz pragmatisch: zu Recht beharrt die Initiative auf der Veranstaltung und zieht in andere Räume um - die Stadt erreicht mit ihrer Weigerung also ihr Ziel gar nicht. Schon allein deshalb wäre es besser gewesen, die Stadt Leonberg hätte sich an die Spitze einer breiten Bewegung demokratischer Kräfte gesetzt, die für die Veranstaltung und gegen die Randale eintreten: Engagement statt Verhindern.


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