Konkurrenz des Holocaust-Gedenkens

von Michael Schmidt
Das Rathaus lädt ins Stadtmuseum, die KZ-Inititative hält an dem umstrittenen Robert Andreasch fest.
Leonberger Kreiszeitung, 25. Januar 2012

Am kommenden Freitag wird es zwei Gedenkveranstaltungen für Holocaust-Opfer in der Stadt geben - und nicht wie bislang eine gemeinsame von KZ-Gedenkstätten-Initiative und Stadtverwaltung. Wie berichtet, hatten sich die beiden Veranstalter nicht auf einen gemeinsamen Referenten einigen können.

Nachdem die KZ-Gedenkstätten-Initiative auf dem Journalisten Robert Andreasch bestanden hatte, kam es zum Bruch. Die Stadtverwaltung bietet nun am kommenden Freitag im Stadtmuseum eine Alternativ-Veranstaltung an. Gezeigt wird die Verfilmung einer Novelle des Schriftstellers und einstigen Gebersheimer Pfarrers Albrecht Goes. Seine Frau und er waren Mitglieder eines württembergischen Pfarrer-Netzes, die während des Krieges Juden in ihren Pfarrhäusern versteckten.
Die KZ-Gedenkstätten-Initiative wird, wie berichtet, zeitgleich in den Blumhardt-Saal der Blosenbergkirche ausweichen.

Dort will man den Autor Robert Andreasch zu Wort kommen lassen. Der Journalist versucht, rechtsextreme Netzwerke aufzudecken und berichtet über die Verknüpfungen der Neo-Nazi-Szene, nennt Namen. Das wiederum ruft Mitglieder der rechtsradikalen Szene auf den Plan, die regelmäßig versuchen. Vorträge von Andreasch mit Gegendemos zu torpedieren. Im vergangenen September hat es genügt, dass ein gutes Dutzend Rechtsradikaler zu einer angemeldeten Demo nach Leonberg fuhr, damit mehr als 100 linke Gegendemonstranten am Bahnhof auf ihre Kontrahenten losgingen und danach die S-Bahn stürmten, so berichtet es die Polizei.

Der hiesige Revierchef Markus Geistler ist alles andere als glücklich über die erneute Konstellation - und er sieht es anders als die KZ-Gedenkstätten-Initiative: Die betont in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie kein erhebliches Sicherheitsrisiko sehe. Nicht für die Besucher und auch nicht für die Stadt. „Wir müssen uns auf alle Fälle ausreichend vorbereiten", entgegnet der Polizei-Oberrat dem nur.

Was die Terminfülle betrifft, hat es der Freitagabend ohnehin in sich: Die Jahreshauptversammlung der Feuerwehr zieht Gemeinderat und Stadtverwaltung nebst fast 400 Feuerwehrmitgliedern in die Höfinger Srohgäuhalle. Zeitgleich bittet die Kreis-FDP zum liberalen Neujahrsempfang mit Hans-Otto Solms ins Alte Rathaus nach Eltingen (alles um 19 Uhr).
Dass es nun quasi eine Konkurrenz des Holocaust-Gedenkens gibt, sei keine Absicht gewesen, betonen sowohl die Stadtverwaltung als auch die KZ-Gedenkstätten-Initiative. Letztere habe die traditionelle Sonntagsveranstaltung mit Bedacht auf den 27. Januar gelegt.

Das ist der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz. Der offizielle Holocaust-Gedenktag bietet juristische Möglichkeiten, um beispielsweise einen Aufzug von Rechtsradikalen an diesem Datum zu verbieten, sagt das Vorstandsmitglied in der KZ-Initiative und pensionierte Richter Klaus Beer. Er verweist auf ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Offensichtlich hat man in der Stadtverwaltung mit dieser Termin-Verschiebung nicht gerechnet. Das sagt die Kulturamtsleiterin Christina Ossowski. „Nachdem wir uns nicht auf den Referenten einigen konnten, haben wir beschlossen, eine eigene Veranstaltung im Stadtmuseum anzubieten."

Damit man nicht in Konkurrenz zur KZ-Initiative gerate, sei der Freitagabend und nicht der übliche Sonntagstermin gewählt worden. „Zumal der Goes-Film wirklich harte Kost ist", sagt Ossowski über die Verfilmung der Goes-Novelle.

Vortrag Robert Andreasch: „Die extreme Rechte und wie der Verfassungsschutz mit ihr um geht", Blumhardtsaal, Blosenbergkirche, Schleiermacherstraße, Freitag, 27. Januar, um 19 Uhr.

Film Albrecht Goes „Schlaf der Gerechten", Stadtmuseum Leonberg (an der Stadtkirche);
Freitag. 27. Januar, um 19.30 Uhr.


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