Nackt unter Wölfen

Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg lädt ein zum Büchercafé am Sonntag, 2. Februar 2020, 15 Uhr im Samariterstift, Seestraße 74, 4. Stock.

Zum Thema "Kinderschicksale" stellen wir vor:

Bruno Apitz: „Nackt unter Wölfen“

Foto: sascha 313.wordpress.com

Wenige Wochen vor der Befreiung des KZ Buchenwald entdecken Häftlinge ein dreijähriges Kind in einem Koffer. Sie nehmen sich des Jungen an und verstecken ihn vor der SS in einer Kleiderkammer. Er überlebt.

Der Roman basiert auf Tatsachen: es gab das Kind, es gab den Mann, der es versteckte und behütete. Im wirklichen Leben hieß er Willi Bleicher, später kämpferischer IG-Metaller in Baden-Württemberg.

Foto: Wolfgang Richter

„Nackt unter Wölfen“, der Roman des ehemaligen Buchenwald-Häftlings Bruno Apitz erschien 1958. Er schildert das Frühjahr 1945 im KZ Buchenwald, die Front nähert sich Thüringen, das Ende der NS-Herrschaft ersehnen 50.000 KZ-Häftlinge. Das geheime Internationale Lagerkomitee (ILK) bereitet sich auf das Ende des NS-Regimes vor. Bevor die SS alle erschießt, würden sie sich wehren, sich selbst befreien: Waffen sind gehortet, die Schwachstellen in Bewachung und Umzäunung erkundet.

Im März kommt ein neuer Schub Männer ins Lager. Ein polnischer Häftling bringt einen Koffer mit in die vom ILK verwaltete Häftlingsbekleidungskammer. Die Häftlinge entdecken darin einen dreijährigen Jungen. Was tun? Seine Entdeckung durch die SS hätte unweigerlich zuerst zur Ermordung des Kindes und dann zu Untersuchungen auch derer geführt, die sein Leben bewahren wollten – Untersuchungen, die das ganze ILK gefährdet hätten, denn einer der Retter ist Kapo in der Häftlingsbekleidungskammer und Waffentrainer des ILK. Er erhält die Anweisung, das Kind mit dem nächsten Transport in ein anderes Lager gehen zu lassen, was dann dort passiere, gehe das ILK nichts an. Die Häftlinge führen diesen Beschluss jedoch nicht aus und verstecken das Kind, erst in der Kleiderkammer, dann in einer Seuchenbaracke. Es wird von einem SS-Offizier entdeckt, wodurch die gesamte Widerstandsbewegung in Gefahr gerät. Dennoch nehmen mehrere Häftlinge große persönliche Risiken auf sich, um es zu retten. Sie werden wochenlang schwer gefoltert, ohne das Kind und ihre Kameraden zu verraten.

Der Roman hat autobiografische Züge. Bruno Apitz überlebte acht Jahre das KZ Buchenwald. Im Gegensatz zu anderen Lagern besetzten in Buchenwald politische Häftlinge die wichtigsten Ämter und organisierten den Widerstand der Gefangenen im kommunistischen „Internationalen Lagerkomitee“ (ILK); sie versuchten, die Gewaltexzesse der SS im Rahmen des Möglichen einzudämmen. Das in Buchenwald gerettete Kind heißt in Wirklichkeit Stefan Jerzy Zweig, der heute in Warschau lebt und 79 Jahre alt ist.

Das Vorbild für die Romanfigur des Kapos aus der Häftlingsbekleidungskammer, der den Befehl des ILK  unterlief, war Willi Bleicher. Der IG-Metaller führte1963 Tarifverhandlungen mit Hanns Martin Schleyer: ein SS-Opfer, das das KZ beinahe nicht überlebt hätte, verhandelte mit einem ehemaligen SS-Offizier. 1965 erklärte die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Willi Bleicher zum „Gerechten unter den Völkern“.

Eintritt frei; Spenden sind willkommen. Buchausleihe ist möglich.


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