Nazis müssen draußen bleiben

von Ulrich Hanselmann
Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag in Leonberg
Stuttgarter Nachrichten, 31. Januar 2013

Alles deutet auf einen friedlichen Freitagabend in Leonberg hin. Der Referent ist gänzlich unverdächtig, die Stadtspitze und die Vertreter der KZ-Gedenkstätteninitiative ziehen wieder an einem Strang. Nur ein fett gedruckter Satz in der Einladung der Initiative weist auf eine gewisse Brisanz hin: „Kein Zutritt für NPD-Mitglieder und für erkennbare und für öffentlich hervorgetreten Rechtsextremisten."

l. Februar, 19.30 Uhr in der Steinturnhalle: Clemens Binninger, der CDU-Bundestagsabge-ordnete im Kreis Böblingen, spricht über die Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses. Der 50-Jährige ist Obmann seiner Partei in dem Ausschuss, der Licht ins Dunkel um die Mordserie der Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) bringen soll.

Es geht um die Rolle von Verfassungsschützern, um Aktenvernichtung, um V-Leute, um Ermittlungspannen. Binninger hat darüber viel zu erzählen. Er tut dies in Nachrichten- Sendungen, in Schulen und jetzt auch bei der Veranstaltung in Leonberg zum Holocaust-Gedenktag. „Wir freuen uns, dass ein so interessanter Referent gefunden wurde", sagt Rathaussprecherin Undine Binder-Farr.

Vor einem Jahr war das ganz anders gewesen. Stadt und Initiative, vertreten durch die Vorsitzenden Marei Drassdo und Eberhard Röhm, hatten sich in die Haare bekommen. „Ich bedauere sehr, dass die KZ-Gedenkstätteninitiative Gewalt billigend in Kauf nimmt", hatte Oberbürgermeister Bernhard Schuler gesagt. „Wir wollen uns die Wahl von Referenten und Themen auf keinen Fall von der Meinung rechtsextremer Gruppen vorschreiben lassen ", so damals Drassdo. Was war geschehen?

Die Initiative hatte den freien Journalisten Robert Andreasch als Redner eingeladen. Er recherchiert über die rechte Szene und gilt dort, so Schuler, als „Reizfigur". Polizei und Stadt wollten seinen Auftritt verhindern. Sie befürchteten eine Wiederholung der Ereignisse vom 16. September 2011. An jenem Tag hatte Andreasch bei der antifaschistischen Woche in Leonberg gesprochen. Etwa 20 Rechtsextreme wollten auf einem genehmigten Marsch vom Bahnhof in die Innenstadt „gegen linke Hetze und Gewalt" demonstrieren. Sie wurden von etwa 200 Antifaschisten am Bahnhof abgefangen. Polizisten wurden angegriffen. Es flogen Steine, Flaschen, Knallkörper.

„Die extreme Gewalt ging ausschließlich von den Linken aus", berichtete Leonbergs Polizeichef Markus Geistler. Ein Polizist und ein Rechtsextremer wurden verletzt, zahlreiche Linke wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch angezeigt. Im vergangenen Jahr hatten Stadt und Initiative den Holocaust-Gedenktag (27. Januar, Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz) mit getrennten Veranstaltungen begangen. Die befürchtete Gewalt war ausgeblieben. Jetzt machen sie es wie früher wieder zusammen.

„Wir haben uns ausgesprochen und versöhnt", sagte Eberhard Röhm am Mittwoch unserer Zeitung. Zum Binninger-Vortrag mit Diskussion in der Steinturnhalle werden zahlreiche Zuhörer erwartet. Der übliche Veranstaltungsort, das Stadtmuseum, erschien Kommune und Initiative jedenfalls als zu klein.

Der Eintritt ist frei. Aber Nazis müssen draußen bleiben.


zurück