Neue rechte Gewalt ist auf dem Vormarsch

von Bartek Langer
Stephan Braun referiert im Haus der Begegnung über Netzwerke, Rechtsrock und Gegenmaßnahmen
Leonberger Kreiszeitung, Mittwoch, 25. April 2007

Leonberg. Der Rechtsextremismus gerät nicht nur seit der Debatte um das NPD-Verbot in die Schlagzeilen. Der Landtagsabgeordnete Stephan Braun hat im Haus der Begegnung die Entwicklung und Aktivitäten der rechten Szene in Baden-Württemberg und im Kreis beschrieben.

Filbinger-Affäre, Zunahme rechtsextremer Straftaten, Aufbruchstimmung bei der NPD - Stephan Braun, der SPD-Landtagsabgeordnete im Wahlkreis Böblingen, hatte wahrlich keine besonders guten Nachrichten für die zahlreich erschienenen Besucher im Haus der Begegnung am Dienstagabend. Der Sozialdemokrat, der als Fachmann für Extremismus in der Enquetekommission tätig gewesen ist und die rechte Szene seit Jahren beobachtet, folgte der Einladung der Evangelischen Erwachsenenbildung und der KZ-Gedenkstätteninitiative, um über die neuen Entwicklungen des Rechtsextremismus im Kreis Böblingen zu referieren und vor allem über das polarisierende Thema zu diskutieren.

Ob im Osten oder Westen der Bundesrepublik - der „braune" Faden zieht sich Braun zufolge quer durch alle Bundesländer, Bevölkerungsschichten und Generationen. Dabei werde die gewaltbereite Szene immer jünger. Die rechtsextremen Straftaten erreichten im vergangenen Jahr mit 18000 Fällen den bisherigen Höchststand. Vor allem in Baden-Württemberg sei die Entwicklung dramatischer, als bisher gedacht. „Die neue rechte Gewalt ist auf dem Vormarsch“, betonte Referent Braun. Dabei habe es die neue Bewegung nicht auf die durchschnittlichen „Glatzen" abgesehen, erklärt er.

„Durch Kooperationen mit Prominenten aus Politik, Wirtschaft und Kultur sowie der Integration von neurechten Denkern in konservativen Kreisen steht die neue Rechte als Brücke zwischen Konservatismus und Extremismus“, sagte Braun. Bestes Beispiel für ein strukturiertes rechtes Netzwerk sei das Studienzentrum Weikersheim, seine Mitgliedschaft dort lasse Ministerpräsident Günther Oettinger seit Kurzem ruhen. Sowohl Teilnehmer aus rechten Kreisen als auch demokratische Mitglieder machten dabei gemeinsame Sache. Dadurch entstehe ein politisches Mimikry, durch das die eigentliche Botschaft und das Ziel verschleiert werden sollten: das „verzerrte“ Geschichtsbild vor allem mit Hilfe des Internets und anderer neuer Medien wieder gerade zu rücken.

Mehr als 1000 deutschsprachige Seiten mit rechtsradikalen Foren, Propagandaprodukten und vor allem der rechtsextremistischen Musikrichtung, dem Rechtsrock, für den Baden-Württemberg eine Hochburg sei, sollen das nationalsozialistische Bewusstsein schärfen. „Der Rechtsrock bildet die Einstiegsdroge in die rechtsradikale Subkultur“, erklärte Stephan Braun, für den die Mischung aus Unterhaltung und politischer Ideologie eine verleitende Wirkung hat.

Nicht selten würden die zumeist im Ausland produzierten Tonträger als kostenlose „Schulhof-CDs" an Schüler verteilt werden.
„Der Zeitgeist weht wieder nach rechts und Deutschland driftet“, zitierte Braun den CDU-Bundestagabgeordneten Friedbert Pflüger. Für den Landespolitiker belegen die aktuellen Entwicklungen jene Aussage Pflügers von 1994.

„Mit der Taktik des Totschweigens sind wir nicht weit gekommen“, resümierte Braun, für den besonders die aktive Bekämpfung des Rechtsextremismus im Internet wichtig ist. „Auch ein Verbot der NPD ist mit den gegenwärtigen juristischen Mitteln möglich, dazu müssen diese aber ausgeschöpft werden“, plädierte er abschließend.


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