Rückblick nach zehn Jahren: Aktive wollen mehr in die Gesellschaft hineinwirken

von Sybille Schurr
Leonberg. Seit zehn Jahren gibt es in Leonberg die KZ-Gedenkstätteninitiative. Sie hat viel erreicht auf ihrem nicht immer leichten Weg.Die Mitgliederversammlung am Mittwochabend bot eine gute Gelegenheit zur Rückschau.
Leonberger Kreiszeitung, 6. März 2009

Gerade einmal 16 Mitglieder haben am 17. Februar 1999 die Vereinssatzung unterschrieben. Heute hat die Gedenkstätteninitiative 69 Mitglieder, um die sich ein Kreis von rund 200 Interessierten gruppiert. Der engagierten Arbeit dieser kleinen Gruppe von couragierten Menschen ist es gelungen, die Mauer des Schweigens und des Vergessens zu durchbrechen, die nach dem Krieg auch in Leonberg um die Orte des Schreckens emporgewachsen war.

Seit Eröffnung der Dokumentationsstätte im alten Autobahntunnel im Sommer 2008 hat indes das Interesse an diesem dunklen Kapitel in der Geschichte Leonbergs stark zugenommen, stellte Eberhard Röhm in seinem Rechenschaftsbericht fest. 52 Schulklassen mit zusammen über 1200 Schülern sind in den Engelbergtunnel gekommen, Unterrichtsgespräche mit ehemaligen Häftlingen und Zeitzeugen fanden in 21 Klassen mit über 400 Schülern statt. Über 1270 Erwachsene nahmen die Möglichkeit zu Führungen und Vorträgen wahr. Zu den bewegenden Momenten in den vergangenen zehn Jahren haben aber die Begegnungen mit den Überlebenden gehört.

Noch, so stellte Röhm selbstkritisch fest, sei es eine gewisse Neugier, die die Menschen zu den KZ-Gedenkstätten führt. Doch was geschieht in Zukunft? "Reicht es aus, dass wir Führungen machen?", fragte Röhm die Mitglieder. Klaus Beer hat sich Gedanken darüber gemacht, wie die Kräfte der Initiative neu eingesetzt werden können. Für ihn steht dabei das in der Satzung formulierte Ziel im Mittelpunkt, gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus einzutreten. "Wir müssen in dieser Richtung mehr in die Gesellschaft hineinwirken", forderte Beer. Verständigung und Versöhnung mit Menschen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben, seien heute nötiger denn je. "Es wäre weit unter dem Gewicht der Gedenkstätte, wenn wir dort einfach nur Führungen anbieten", sagte Beer.

In der Versammlung regten die Mitglieder eine ganze Reihe von neuen Ansatzpunkten für die zukünftige Arbeit an. Arbeitsgruppen sollen entstehen, in die auch Schüler und junge Menschen mit eingebunden werden. Verstärkt werden soll auch die Zusammenarbeit mit anderen Gedenkstätten. Auch Austauschschüler, die in Leonberg sind, sollen verstärkt in die Arbeit mit eingebunden werden. Für Conny Renkl ist ein weiterer bedeutender Punkt die anstehende Kommunalwahl: "Wir dürfen nicht zulassen, dass rechtsextreme Gruppierungen in die Kommunalparlamente einziehen", auch dies sei eine Aufgabe für die KZ-Gedenkstätten-Initiative.

Hartmut Fritz, Vorstandsvorsitzender der Samariterstiftung, erinnerte daran, dass vor 70 Jahren in Grafeneck bei Gomadingen die systematische Ermordung von Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung begann. Innerhalb eines Jahres starben hier 10 654 Menschen. Das Thema Euthanasie wieder aufzugreifen und angesichts der Frage nach Sterbehilfe neu zu diskutieren, auch das können sich die Mitglieder der KZ-Initiative als aktuellen Themenschwerpunkt vorstellen.
In den Vorstandswahlen wurden der Vorsitzende Eberhard Röhm und seine Stellvertreterin Renate Stäbler im Amt bestätigt, ebenso wie die Beisitzer Beate Adler, Klaus Beer, Irmtraud Klein, Holger Korsten und Martin Riethmüller. Neu in den Kreis der Beisitzer wurde Marei Drassdo gewählt.


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