Rundbrief KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg April 2007

Liebe Mitglieder und an der Gedenkstättenarbeit in Leonberg Interessierte,

wir laden Sie ganz herzlich ein zu einer Vortragsveranstaltung, die wir gemeinsam mit der Evangelischen Erwachsenbildung durchführen

Montag, 23. April 2007, 19.30 Uhr
Haus der Begegnung, Eltinger Str. 23, Leonberg

Vortrag von Stephan Braun, MdL (SPD)

Neue Entwicklungen im Rechtsextremismus
mit anschließender Diskussion

(eine Veranstaltung gemeinsam mit der
Evang. Erwachsenenbildung)

Stephan Braun war von 1997 bis 1999 als Fachmann für Extremismus Vorsitzender der Enquentekommission „Jugend-Arbeit-Zukunft“. Seit dieser Zeit und als Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Böblingen beobachtet er die Entwicklungen der Rechten Szene aufmerksam und sucht über die Ursachen, Erscheinungsweisen und Aktivitäten der Rechten aufzuklären. Der Rechtsextremismus in Baden-Württemberg besitzt ein Netzwerk von Gruppen und Organisationen, die sich besonders an Jugendliche und junge Erwachsene wendet. Der Referent stellt diese Netzwerke vor und diskutiert mögliche Gegenstrategien, wie zum Beispiel die Frage nach einem Verbot der NPD oder andere Möglichkeiten, wie den Rechtsextremen Paroli geboten werden kann.

Von der Teilnahme an der Veranstaltung sind Mitglieder der NPD und ihrer verbündeten Gruppen sowie wegen Volksverhetzung bestrafte Personen ausgeschlossen.


Hinweis auf eine Buchvorstellung

Freitag, 27. April 2007, 19 Uhr, in Rottenburg, Zehntscheuer

Die Sektion Böblingen-Herrenberg-Tübingen des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ stellt das eben erschienene Buch vor

Dorothee Wein / Volker Mall / Harald Roth:
„Spuren von Auschwitz ins Gäu - Das KZ-Außenlager Tailfingen-Hailfingen“.

Auf dem bei Herrenberg gelegenen Flugplatz Hailfingen/Tailfingen wurde im Herbst 1944 ein KZ-Außenlager errichtet, auf dem 600 Juden aus dem KZ Stutthof untergebracht wurden. Viele von ihnen kamen ums Leben.

Im Rahmen der Veranstaltung spricht Dr. h.c. Joachim Gauck, Bundesvorsitzender Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., über das Thema

„Über die Notwendigkeit zu Erinnern“

Das Buch „Spuren von Auschwitz ins Gäu – Das KZ-Außenlager Hailfingen/Tailfingen“, 264 Seiten, 100 Fotos und Dokumente, 19.90 EUR, kann bezogen werden bei Volker Mall, Hohe-Wacht-Str.7, 71083 Herrenberg, Tel. 07032/26455, E-Mail: mall.herrenberg@gmx.de


Brief der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg an Abgeordnete der Region
vom 28. Januar 2007 und einige Antworten darauf
Eine Arbeitsgruppe der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg hat sich über längere Zeit mit rechtsextremen Aktivitäten allgemein und in der Region befasst. Als Ergebnis entstand u.a. ein Brief an Abgeordnete der Region. Wir drucken im Folgenden den Brief und anschließend Auszüge aus einigen Antworten ab.
Im Rahmen dieser Diskussion ist auch die Einladung zur Veranstaltung am 23. April 2007 im Haus der Begegnung (siehe oben) zu sehen.

1. Der Brief der KZ-Gedenkstätteninitiative an die Abgeordneten
vom 28. Januar 2007

Wir haben uns in unserer Initiative in der letzten Zeit über die auch in unserer Region zunehmenden rechtsextremen Aktivitäten Gedanken gemacht. Wir sind zu folgendem Ergebnis gekommen:

Zur Abwehr des Rechtsextremismus gehört die Anwendung der gesetzlichen Mittel gegen verfassungsfeindliche Parteien, und zwar wie wir meinen auch des Parteiverbots. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD würde dazu zwingen, zu formulieren, was das ist: Faschismus, Demokratiefeindlichkeit, Kampf gegen die Grundordnung mit nationalsozialistischen Argumenten. Das hätte eine weitgehende politisch-pädagogische Wirkung und Bedeutung. Das Ausweichen der Mitglieder einer verbotenen Partei in eine Ersatzpartei kann verhindert werden, denn Ersatzorganisationen können leicht verboten werden. Alle diese Instrumente sind vor 50 Jahren gegen die Kommunisten sattsam, sogar übermäßig, durchgespielt worden und stünden auch jetzt zur Verfügung.

Dann müsste nicht mehr jede NPD-Demonstration von Polizisten vor Gegendemonstranten geschützt werden. Immer wieder müssen sich irgendwo im Lande Stadtverwaltungen und Gerichte mit der Zulassung oder dem Verbot von Nazi-Demos herumschlagen. Hunderte oder gar Tausende von Polizeibeamten werden gebunden und fallen für andere wichtige Aufgaben der Polizei aus, von den Kosten einmal ganz abgesehen. Empörend ist das, was dauernd geschieht, es ist das genaue Gegenteil von einer Abwehr des Rechtsextremismus. Der Weg muss dafür freigemacht werden, dass sich Hunderte und Tausende den Braunen einfach entgegenstellen, und diese Demokraten wären es dann, die vor Angriffen zu schützen wären! Das wären dann auch nicht nur ein paar „linke Gewalttäter“! Und genau das wäre der so oft geforderte „Aufstand der Anständigen“! So einmal geschehen in Schwäbisch Hall: die Bürger besetzten einfach den ganzen von den Rechtsextremen anvisierten Versammlungsplatz. Die Polizei wurde damals nicht dazu eingesetzt, sie zu vertreiben und die Demonstration der Rechten zu ermöglichen.

Die Strategie der Regierungen im Bund und in den Ländern scheint anders zu sein: sie bekämpfen die Rechtsextremen weitgehend nur verwaltungsmäßig. V-Leute werden in die rechten Gruppierungen geschleust, die an die Behörden berichten sollen. Wie wir vom Bundesverfassungsgericht während des jetzt ausgesetzten NPD-Verbotsprozess erfuhren, machen sie zu ihrer Tarnung auch in der NPD die radikale Politik selbst in uns unbekanntem Umfang mit und verstärken sie so. Das Verfassungsgericht hat das erkannt und gerügt und verlangt, dass das geklärt wird – und nun soll es schuld daran sein, dass der erste Verbotsantrag nichts taugte!?

Wir schlagen den Abgeordneten aus unserer Region vor, in den Parlamenten, denen sie angehören, für ein Verbot der NPD aktiv zu werden und dazu für den vom Bundesverfassungsgericht verlangten Rückzug der V-Leute aus den Führungsgremien der NPD einzutreten.

2. Aus einigen Antworten von Abgeordneten auf unsere Anfrage
vom 28. Januar 2007 wegen eines Verbots der NPD

Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbotsverfahren ausgesetzt, bis die V-Leute des Verfassungsschutzes in den Leitungsgremien der Partei benannt werden, weil sonst die NPD womöglich für deren Tätigkeit in der NPD verboten würde – das sei unzulässig. Darauf sind die Antragsteller bisher nicht eingegangen.

MdL Stephan Braun (SPD) (unser Referent am 23. April), ist überzeugt davon, dass das frei zugängliche Material der NPD (also ohne V-Leute in der NPD als Quellen) für ein Verbotsverfahren ausreicht, und seine Fraktion stehe auch für ein solches bereit. Um das Ziel zu erreichen, müssten die Ämter für Verfassungsschutz aber die entsprechenden Voraussetzungen treffen,.

MdL Christoph Palmer (CDU) fragt sich, welche Vor-, aber auch Nachteile ein Verbot hat. Gegen ein Verbot spricht für ihn, dass die Überwachbarkeit einer Gruppierung größer ist, wenn sie zugelassen ist. Man könne beide Positionen vertreten, aber ein nochmaliges Scheitern eines Verbotsantrages wäre übel. Deshalb müsse gut abgewogen werden.

MdB Florian Toncar (FDP) meint, das letzte Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sei daran gescheitert, dass der Nachweis der Verfassungswidrigkeit ohne „V-Leute“ nicht zu führen war. Er fügt hinzu, dass wir nicht nur die NPD, sondern den Extremismus insgesamt bekämpfen müssen.

MdL Brigitte Lösch von den Grünen schließt ein Verbot der NPD generell nicht aus, aber jedenfalls, solange keine Voraussetzungen im Bereich des Verfassungsschutzes geschaffen worden sind. Sie meint, man müsse versuchen, an die NPD-Wähler heranzukommen.

MdB Biggi Bender, Grüne im Bundestag, lehnt ein NPD-Verbot ab. Die Bürger selbst müssen nach ihrer Ansicht den Rechtsradikalismus bekämpfen, bis er keine Stimmen mehr bekommt. Einen Rückzug des Verfassungsschutzes aus der NPD würde sie für falsch halten.

MdB Ute Kumpf von der SPD teilt mit, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus zu aller erst in der Gesellschaft geführt werden muss. Die Bundestagsfraktion prüfe zur Zeit, welche Erfolgsaussichten ein NPD-Verbotsverfahren hätte.

MdB Ulrich Maurer, Abgeordneter der „Linken“ im Bundestag, ist für ein Abschalten der V-Leute in der NPD, damit der Weg zu einem Verbot der NPD frei wird. Im Land Berlin sei dieser Schritt schon vollzogen worden.

MdL Bernd Murschel (Die Grünen): Ich möchte deutlich sagen, dass ich ein Verbot der NPD ausdrücklich begrüßen würde. Sie ist nach meiner Einschätzung offen verfassungsfeindlich und wird zunehmend zum Kristallisationspunkt und zur organisatorischen Plattform für rechtsextreme Aktivitäten. Allerdings darf der Bundesinnenminister dem Verfassungsgericht nur noch einen absolut „verfassungssicheren“ Verbotsantrag vorlegen. Ein erneutes Scheitern eines Verbotsantrags könnten die Rechtsextremen als großen Erfolg verbuchen. Schon der erste schlecht vorbereitete Antrag hat Verfassungsfeinden eine Steilvorlage für ihre Propaganda geliefert und viel Schaden angerichtet.


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