Rundbrief KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg September 2006

Liebe Mitglieder und an der Arbeit der KZ-Gedenkstätte Interessierte,

am Ende der Sommerferien, möchten wir Ihnen Hinweise auf Vorhaben und Veranstaltungen, die wir für das nächste halbe Jahr geplant haben, geben und Sie herzlich dazu einladen.

Wochenende 16./17. September 2006:
Besuch einer Abordnung der “Associazione Nazionale dei Deportati Politici nei Lager Nazisti” (ANED) aus Sesto San Giovanni (bei Mailand) – einem Zentrum des italienischen Widerstandes gegen Mussolini und die deutsche Besatzung - in Leonberg

Aus Sesto San Giovanni stammt der in Leonberg am 18. Februar 1945 verstorbene KZ-Häftling Giovanni Cima. Dies nimmt der Verband ehemaliger, von den Nazis Deportierter dieser Stadt zum Anlass uns eine Erinnerungstafel zu übergeben und diese in unserem Beisein auf dem KZ-Grab in der Seestraße niederzulegen. Der Text auf der Marmortafel hat folgenden Wortlaut:

„Die Sektion der ’Associazione Nazionale dei Deportati Politici nei Lager Nazisti’ (ANED) der Stadt Sesto San Giovanni gedenkt ihres Mitbürgers Giovanni Cima, der 36 Italiener und der Toten jeglicher Herkunft, welche im Lager Leonberg ums Leben kamen. Dieser Gedenkstein will die Wunden der großen Tragödie des 2. Weltkrieges nicht wieder aufreißen, sondern an das Geschehene erinnern. Wir, die Einwohner von Sesto San Giovanni, und Ihr, die Einwohner Leonbergs, sind uns einig:
‚Erinnern heißt Wissen, Wissen heißt Freiheit. Lasst uns der Erinnerung eine Zukunft geben.’“

Die Niederlegung der Tafel findet am Sonntag, 17. September 2006, 11.30 Uhr, am KZ-Grab auf dem Städtischen Friedhof Seestraße statt. Ein Vertreter des italienischen Generalkonsulats wird daran teilnehmen.

Die Delegation aus Sesto San Giovanni wird von Leonberg aus am Samstag, 16. September 2006, die neu gestaltete Gedenkstätte in Vaihingen/Enz besuchen. Dort wird es eine Führung durch das Vorstandsmitglied der Vaihinger Gedenkstätte Jörg Becker geben. Eine gute Gelegenheit, dass auch wir Leonberger uns dabei beteiligen.
Abfahrt in Privatautos um 14 Uhr auf dem Parkplatz Sportzentrum/Hallenbad.
Beginn der Führung in der KZ-Gedenkstätte Vaihingen/Enz (unterhalb des Bahnhofs) 15 Uhr.

Für Samstag, 20 Uhr, sind Sie alle in den Gemeindesaal der evangelisch-methodistischen Kirche Leonberg (Robert-Koch-Str. 1/bei LEO-Center) zu einer Begegnung mit den italienischen Gästen eingeladen. Diese sprechen teilweise auch französisch, englisch oder deutsch, so dass sicher eine interessante Unterhaltung zustande kommt.


Sonntag, 17. September 2006, 14.30 Uhr

Allgemeine Führung auf dem „Weg der Erinnerung“
im Rahmen des offiziellen Stadtführungsprogramms

Treffpunkt: Unterer Eingang zum alten Friedhof Seestraße, neben Haus Seestraße Nr. 5
Lotsin: Renate Stäbler

Unkostenbeitrag: 3 €, unter 16 Jahren frei. Beschreibung der Führung auf dem „Weg der Erinnerung“ siehe www.kz-gedenkstaette-leonberg.de, Link „Führungen“.

Dauer: Gut 2 Stunden, je nach Tempo und Interesse der Teilnehmer


Montag, 23. Oktober 2006, 19.30 Uhr, Konferenzraum der VHS Leonberg (neben dem Leo-Center)

Vortrag „Emilie Schindler - eine stille Heldin“

Referentin: Erika Rosenberg, Journalistin, Dozentin und Autorin

Erika Rosenberg ist die Biografin von Emilie und Oskar Schindler, beide Biografien sind bei Langen Müller Herbig, München, erschienen. Im Herbst wird auf der Frankfurter Buchmesse eine Erweiterung der Biografie über Emilie Schindler vorgestellt, deren enge Vertraute Erika Rosenberg war. Emilie Schindler, die mutige Frau, rettete zusammen mit ihrem Mann 1200 Juden vor dem sicheren Tod in der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten. Sie ist eine von den vielen stillen Heldinnen, die die Geschichte weit gehend ausgeblendet und vergessen hat. Frau Rosenberg wird in ihrer Lesung und dem Vortrag auf den unbekannten Teil des Lebenswegs des Ehepaars Schindler eingehen, die Geschichte, die Spielberg in seiner Filmproduktion ,,Schindlers Liste" nicht erzählen wollte.

Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit von VHS, Frauenbeauftragten der Stadt Leonberg und KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. statt.

Eintritt 4 Euro


Donnerstag, 9. November 2006, 19.30 Uhr, Haus der Begegnung

Vortrag zum Thema

„Der 9. November und die Deutschen. Ein historischer Rückblick.“

Referent: Prof. Dr. Eberhard Jäckel

Eine Veranstaltung der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. und der Evang. Erwachsenenbildung Leonberg

Immer wieder waren die Ereignisse an diesem Tag von weitreichender Bedeutung in der jüngeren Geschichte Deutschlands. 9. November 1918 (Ende der Monarchie), 1923 (Hitlerputsch), 1989 (Öffnung der Berliner Mauer), vor allem 1938 (Reichspogromnacht), Ereignisse, die uns Deutsche zu einem historischen Rückblick Anlass geben. Der international bekannte Historiker Eberhard Jäckel, von 1967 bis 1997 Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart, wird in seinem Vortrag auf die Einzigartigkeit des Mordes an den europäischen Juden und auf die Einstellung der Deutschen dazu sowie auf den Nationalsozialismus allgemein damals und heute eingehen.


Parallel zum Vortrag von Prof. Jäckel wird in dieser Woche (Mitte November) im Haus der Begegnung eine

Ausstellung über ein Schülerprojekt des Johann-Kepler-Gymnasiums Weil der Stadt

zusammen mit einer Schülergruppe aus Polen (St. Zeromski-Lyzeum Stzregom) und aus Ostdeutschland (Norbertus-Gymnasium Magdeburg) gezeigt unter dem

Titel „Erinnerung ist das Geheimnis der Versöhnung“.

Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich in überzeugender Weise in mehreren dreitägigen Wochenendseminaren und während des Unterrichts im Schuljahr 1999/2000 mit den Naziverbrechen und den Möglichkeiten der Verständigung und der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen. Unter anderem führte dies auch zu einem Aufenthalt in Auschwitz und Krakau.
Eine ausführliche Darstellung des Projekts findet man unter www.laehnemann.de/auschwitz.


Immer wieder kommen nicht nur ehemalige Häftlinge, sonder auch Angehörige oder Hinterbliebene ehemaliger Häftlinge nach Leonberg.

Vom 27. bis 29. August war das Ehepaar de Jong aus den Niederlande zu Gast. Der Vater von Frau de Jong, Hendrik Jan Nieuwenhuis, starb am 10. Februar 1945 im KZ Leonberg und ist auf dem Friedhof in der Seestraße bestattet. Frau de Jong hatte zum ersten Mal Gelegenheit, das Gedenkbuch in der Blosenbergkirche zu betrachten, in welchem ja auch der Name ihres Vaters verzeichnet ist. Einige Vorstandsmitglieder begleiteten die Gäste auf dem Weg zum Blosenberg und zur Namenswand.
Die Familie de Jong hatte viele Jahre auf der Fahrt nach Südtirol in Leonberg Station gemacht ohne zu wissen, dass der Vater/Schwiegervater hier begraben liegt.


Die Begegnung mit dem 82-jährigen ehemaligen Leonberger KZ-Häftling Eric Spicer aus Australien (siehe Rundbrief Mai 2006) Mitte Juni wird ihm und auch uns in steter Erinnerung bleiben. Der noch quick lebendige, versöhnliche Mensch hat sich dieser Tage kurz vor seinem Rückflug von Wien nach Australien noch einmal überschwänglich bedankt für die herzliche Aufnahme in Leonberg und die Möglichkeit, vor Schülerinnen und Schülern des Johannes-Kepler-Gymnasiums sprechen zu können. Der aus Ungarn stammende Jude, der von Dezember 1944 bis April 1945 im Leonberger KZ war und anschließend am Todesmarsch nach Bayern teilnahm, war immer wieder überrascht, wie sehr die Leonberger am Schicksal der Überlebenden Anteil nehmen. Dies kam auch bei einem Besuch bei OB Bernhard Schuler zum Ausdruck.
Wir danken Frau Roswitha Klingemann aus Wien, die Eric Spicer den Aufenthalt in Europa ermöglicht hat. Sie stellte den Kontakt nach Leonberg her und begleitete Eric Spicer. Sie ist übrigens eine Schwester des verstorbenen bekannten österreichischen Dichters Ernst Jandl, der, wie sie in einem Mail letzte Woche meinte, „Erics Erzählungen bestimmt literarisch verarbeitet hätte“.
Die Leonberger Kreiszeitung berichtete zwei Mal über den Besuch von Eric Spicer in Leonberg, nachzulesen auf unserer Internetseite (www.kz-gedenkstaette-leonberg.de/presse).


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