Selbstmord im Dritten Reich

Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. lädt ein ins BücherCafé am Sonntag, 7. April, 15 Uhr (Samariterstift, Seestraße 74, 4. Stock, Aufzug bis zum 3. Stock).

Vor 74 Jahren schien im Frühjahr das Kriegsende so nah! In den letzten Wochen und Monaten des Krieges erwarteten die Menschen mehr denn je und Tag für Tag, es möge das alles endlich aufhören: Bomben Tag und Nacht, Terror und Seuchen in den KZ, Todesmärsche von Häftlingen und Zwangsarbeitern wie von Familien auf der Flucht, ein Ende des Soldatentods an den Fronten. Es konnte ja nicht mehr lange dauern, der Wille zum Überleben war überall.

War er das? Die KZ-Gedenkstätteninitiative stellt in ihrer Bibliothek einige Bücher vor zum Thema

„Selbstmord im Dritten Reich“.

 Die Besucher werden erfahren, welcher Todesangst Menschen ausgesetzt waren und in welcher Verzweiflung sie versuchten zu überleben – und wie sie dabei zusammenbrachen. Anhand der Bücher von Christian Goeschel: „Selbstmord im Dritten Reich“ und Florian Huber: „Kind, versprich mir, dass du dich erschießt“ werden die Besucher der Veranstaltung von der größten Selbstmordwelle hören, die es je in Deutschland gegeben hat.

Zunächst spricht die Statistik über die Selbstmordquoten noch in der Weimarer Republik und dann in drei Phasen des Dritten Reichs: zu Beginn, nach dem Sieg über Frankreich und dann nach der Katastrophe von Stalingrad. Zu Selbstmorden unter den jüdischen Mitbürgern erfahren sie, wie die Quote jeweils mit antisemitischen Ausschreitungen und mit den Rassegesetzen anstieg, und sich die Menschen angesichts angeordneter Deportationen das Leben nahmen.

Und Sie werden hören, wie im sich abzeichnenden Zusammenbruch viele Menschen, nur noch einen Ausweg kannten: Suizid. Sie werden von Beweggründen und Todesarten erfahren. Zum Beispiel wie KZ-Häftlinge angesichts der nicht enden wollenden Qualen in den Starkstromzaun der KZ sprangen, wie sie SS-Schergen zu Todesschüssen herausforderten. Wie Eltern, deren Söhne an den Fronten starben, ihnen nur noch nachfolgen wollten. Wie die Nazis Freiwillige suchten, die sich mit fliegenden Bomben für Hitler opfern wollten. Wie die ostdeutsche Bevölkerung in Panik vor der Roten Armee den Massen-Selbstmord wählte. Wie die Nazis Selbstmörder erst als Verräter diffamierten und dann den Selbstmord als völkische Heldentat einforderten, an dem sich die von der Bevölkerung „Goldfasan“ genannten höheren Chargen nur vergleichsweise wenig beteiligten. Sie erfahren, wie in Berlin Hitlerjungen zum Kriegsende Zyankali aus Körben verteilten. Und sie hören von Soldaten, die angesichts von Tod und Verstümmelung, von Verlusten in der Familie und persönlicher Ausweglosigkeit den Selbstmord wählten.

 

Nach Ende der Buchvorstellungen fahren Mitglieder des Arbeitskreises Bibliothek mit Privat-PKW zusammen mit den Besuchern in Richtung Waldfriedhof und besuchen dort den Gedenkstein von Kurt Braun. Der Obergefreite aus Leonberg erschoss sich an seinem 21. Geburtstag im Februar 1945.

 

 

Foto (Anlage): Gedenkstein, fotografiert von Eberhard Schmalzried


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