Verantwortung tragen für die Zukunft

von Franziska Kleiner
Leonberger Kreiszeitung, 16. Juli 2003

So manches starke Bild hat sich eingeprägt in den Köpfen der Schüler. Ein Dutzend Zwölftklässler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums war kürzlich drei Tage im französischen Charmes und in Senones zu Gast. Sie trafen sich mit ehemaligen Häftlingen des Konzentrationslagers Leonberg.

Die Schüler des Leistungskurses Französisch folgten mit Studiendirektorin Gerda Mendler einer Einladung der ehemaligen Häftlinge, die während des Zweiten Weltkriegs im KZ-Außenlager Leonberg unter dem Engelberg für die Rüstungsfirma Messerschmitt Flugzeugteile bauten. Begleitet wurden die Schüler von drei Mitgliedern der KZ-Gedenkstätteninitiative, darunter deren Vorsitzender Eberhard Röhm.

Eindringlich eingeprägt hat sich bei den Leonberger Schülern die Begegnungen zwischen den Generationen. Nichts war zu spüren von einem erhobenen Zeigefinger, wenn die französischen Gastgeber erzählten, wie sie in Leonberg bei der täglichen Arbeit unter der Kälte litten, Hunger und vor allem Durst hatten und ständig den Schlägen der Aufseher ausgesetzt waren.
Vielmehr, so erzählen die Schüler irritiert und verwundert zugleich, war bei den Franzosen Freude darüber zu spüren, dass junge Menschen Interesse zeigten für das, was sie vor bald 60 Jahren erlebt hatten. Mendler: "Es war tröstlich zu sehen, dass es allen mehr oder weniger gelungen ist, das Erlebte zu verarbeiten und für sich selbst einen Weg zu finden, damit zu leben." Und Diana Tomic erzählt, dass sich Gespräche ergaben über ganz unterschiedliche Themen, die nicht nur die Vergangenheit betrafen. Und doch wurde den Gymnasiasten klar, dass sie, wissend um die Geschichte, "Verantwortung tragen für die Zukunft", wie es mancher formulierte.

Verständigungsschwierigkeiten hatten die Schüler kaum. Zwar kamen anfangs die Worte zögerlich über die Lippen, meint Diana Tomic. Die Gastgeber ihrerseits flochten so manches Mal deutsche Wörter oder Sätze ein. Gemeinsam machten sie aus dem Treffen eine spannende Begegnung zwischen jungen und älteren Menschen, die die Schüler fasziniert zurückließ. Doch es fehlte nicht an dem festlichen Rahmen, der der Bedeutung der Reise Ausdruck verlieh. Waren doch zum ersten Mal Schüler nach Frankreich gereist, um den Kontakt mit den ehemaligen KZ-Häftlingen zu suchen. Am Spätnachmittag des ersten Tages, wurden sie in einem Festakt offiziell von Gilbert Claudel, Bürgermeister der Stadt Charmes, in Anwesenheit von mehreren ehemaligen KZ-Häftlingen empfangen.

Auch Albert Montal, der Vorsitzende der Deportierten von Charmes, war gekommen. Er hatte den Aufenthalt der Schüler in Frankreich organisiert, den Eberhard Röhm initiiert hatte. Claudel überreichte eine Ehrenmedaille als Gegengeschenk an Oberbürgermeister Bernhard Schuler. Zuvor, am Vormittag, waren die Gymnasiasten mit Schülern des College in Charmes zusammengekommen. Dabei wurde die Zeit der Okkupation durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg und der französische Widerstand in Charmes ebenso thematisiert wie die Vergeltungsmaßnahme, die Verschleppung von 150 Männern aus Charmes nach Deutschland.

Nach einem Ausflug der Gruppe nach Nancy ließ der ehemalige KZ-Häftling Claude Brignon Geschichte lebendig werden. Im "Tal der Tränen" erzählte er von den Deportierten aus Senones und dem benachbarten Vieux-Moulin. Von den 394 Deportierten kamen nur 128 zurück, erklärte er, als er den Schülern Gedenkorte des Widerstandes zeigte. Auch in Senones hatte in Anwesenheit des Bürgermeisters eine kurze Gedenkfeier am Denkmal der Deportierten stattgefunden, die Schüler des Französisch-Leistungskurses trugen das Gedicht "Liberté" von Paul Eluard vor.

Vielleicht mit einer Ausstellung wollen die Leonberger Schüler von der Reise erzählen: Um zu zeigen, dass Fächer wie Französisch und Geschichte nicht nur aus Fakten aus dem Schulbuch bestehen müssen. Die Ehrenmedaille von Charmes wurde gestern Oberbürgermeister Schuler ausgehändig


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