Verordnetes Gedenken an das KZ

von Daniel Renkonen
Leonberger Kreiszeitung, 26. Januar 2004

LEONBERG - Das Leonberger Konzentrationslager (KZ) ist ein Teil der Geschichte Leonbergs. Renate Stäbler hat sie gestern im Stadtmuseum lebendig gemacht. In einem bewegenden Vortrag legte sie den Finger in eine Wunde: die schleppende Aufarbeitung der menschenverachtenden Taten der Nazis in der Stadt.

Renate Stäbler hat nicht moralisiert. Sie sprach auch nicht vorwurfsvoll mit erhobenem Zeigefinger. Die stellvertretende Vorsitzende der KZ-Gedenkstätteninitiative listete vielmehr Fakten auf, die sie zusammen mit der Warmbronner Journalistin Monica Mather akribisch recherchiert hat. Das Ergebnis kann die Öffentlichkeit selbst auf sieben Zeitungsseiten nachlesen: "Schwierigkeiten des Erinnerns" haben die beiden Autorinnen ihr Werk genannt, das vom Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu mit herausgegeben wurde.

Der Beitrag ist ein weiterer Schritt, die dunkle Vergangenheit in der Stadt aufzuarbeiten. Stäbler räumte offen ein, dass es Zeitzeugen gibt, die nicht über die NS-Vergangenheit reden wollen. Ihr seien auch Menschen begegnet, die das Unrecht der Nationalsozialisten mit dem anderer Völker aufgerechnet hätten. Doch das ist eine Triebfeder für die Warmbronnerin, das Schweigen über das Leonberger Konzentrationslager zu brechen. Dabei kam sie in ihrem Vortrag gestern immer wieder auf die schleppende, ja zögerliche Aufarbeitung dieses Kapitels seitens der Stadt zu sprechen.

Diese hatte im Frühsommer 1945 mit der Räumung des Leonberger Konzentrationslagers begonnen. Die KZ-Toten waren auf dem Blosenberg verscharrt und lediglich mit Erde bedeckt worden. Stäbler und Mather fanden heraus, dass Vertreter der Stadt wohl erst auf Drängen des Französischen Roten Kreuzes den KZ-Friedhof am 17. Juni 1945 besichtigt hatten. Seinerzeit war die Stadt kommissarisch von Gotthold Ege verwaltet worden. Der Vatikan hatte beim Bürgermeister offenbar darauf gedrängt, ein Holzkreuz als Zeichen des Gedenkens anzubringen. Zwar war die Stadt der Aufforderung nachgekommen, doch das reichte der Militärregierung nicht aus. Sie hatte gefordert, den Friedhof auf die doppelte Größe zu erweitern und ein Kreuz aus Eisenbeton zu bauen. "Wenn man so will, wurde das Gedenken von der Militärregierung verordnet", bestätigte Renate Stäbler auf Nachfrage aus dem Publikum.

Auch in den Folgejahren wurde um den KZ-Friedhof lieber ein Bogen gemacht. "Die Pflege der Anlage bietet immer wieder Anlass zu Beanstandungen", berichtete die Warmbronnerin. Im Juni 1949 beklagte sich laut ihren Recherchen der ehemalige Häftling Hermann Licht bitterböse über den "unwürdigen Zustand" des Friedhofs. Die Antwort des neuen Bürgermeisters Carl Schmincke liest sich kühl und abweisend. Ohne Anrede und Gruß hatte er zurück geschrieben, dass der "Friedhof inzwischen in Ihrem Sinne in Ordnung gebracht wurde".

Mit der Rolle Schminckes setzte sich Stäbler besonders kritisch auseinander. Er soll die Stadt nicht nur aus den Gedenkkundgebungen bewusst herausgehalten haben, sondern auch gegenüber ehemaligen Häftlingen wie Licht "schroff" aufgetreten sein. Außerdem war er nicht bereit gewesen, die Kosten für eine Namenstafel der KZ-Toten zu übernehmen. "Zu dieser Zeit hat sich in Deutschland eine allgemeine Schlussstrichmentalität breit gemacht", schilderte Stäbler. In diese Zeit war auch die Rehabilitierung aus der NS-Zeit belasteter öffentlicher Bediensteter sowie das zweite Straffreiheitsgesetz von 1954 gefallen.

Stäbler hofft, dass in Leonberg nicht weggeschaut wird, wenn es um die KZ-Aufarbeitung geht. Dazu will auch die am 13. März 1999 gegründete KZ-Gedenkstätteninitiative beitragen. Mit einer Vielzahl von Aktivitäten hat sie den Weg des Erinnerns als Zeichen gegen das Vergessen beschritten.


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