Vielfältige Auseinandersetzung mit Geschichte

von Franziska Kleiner
Leonberger Kreiszeitung, 12. November 2003

LEONBERG - Bei einer Aktionswoche mit dem Titel "Gegen Vergessen'' setzen sich Schüler des Kreisberufsschulzentrums auch mit dem Konzentrationslager Leonberg auseinander. Gestern berichteten Gymnasiastinnen von ihrer Reise nach Frankreich, wo sie ehemalige Häftlinge trafen.

In den Schulfächern Geschichte, Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik und Deutsch werden die Veranstaltungen in dieser Woche integriert. So versammelten sich gestern Schüler aus vier Klassen im Unterrichtsraum, um zunächst den Worten von Renate Stäbler zu lauschen. Die zweite Vorsitzende der Gedenkstätteninitiative vermittelte den Schülern zunächst knapp die Situation in den Jahren 1944/1945, als Männer aus ganz Europa unter den "übelsten Bedingungen'', so Stäbler, gefangen gehalten wurden, um im alten Autobahntunnel zu arbeiten. Die Schicht dauerte zwölf Stunden, am erholsamen Schlaf wurden sie meist gehindert, Ausruhen und Regenerieren konnten die Männer, die an Hunger und Durst litten, nicht.

Unter den Häftlingen waren Franzosen aus den Vogesen, die in ihrem Heimatort Charmes am 5. September 1944 sich gegen die Deutschen erhoben hatten. Der Widerstand wurde niedergeschlagen. Albert Montal - heute Vorsitzender der Deportierten von Charmes - war 15 Jahre alt, als er mit 149 anderen Jungen und Männern in die Parkanlage seines Heimatortes getrieben wurde und im Oktober 1944 über Dachau und Augsburg in das Konzentrationslager nach Leonberg kam, um dort zu Arbeitseinsätzen gezwungen zu werden.

Die Berufsschüler stellten in der großen Runde anfänglich nur zögernd Fragen, trauten sich schließlich mehr, als Gefion Wildermuth, Diana Tomic und Ines Horn, Schülerinnen des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, von ihrer Reise im Sommer nach Frankreich erzählten. In Frankreich trafen sie auch mit ehemaligen Häftlingen des Konzentrationslagers in Leonberg zusammen. So wurde gestern auch die Frage laut, wie denn die Häftlinge unterschiedlicher Nationalitäten miteinander ausgekommen seien. Die Antworten von Ines Horn und Diana Tomic machten so manchen Schüler sichtlich nachdenklich: Die Kräfte zehrende Arbeit, Hunger und Durst, ließen überhaupt keinen Platz für Feindseligkeiten.

Die Berufsschüler setzen sich diese Woche auf vielfältige Weise mit der deutschen Geschichte auseinander, Ausgangspunkt dafür war das Datum des 9. November. Im Programm sind unter anderem vorgesehen ein Filmnachmittag, Autorenlesungen mit Hellmut G. Haasis und Klaus Beer, Besuche des Stadtarchivs und Stadtmuseums. Im Stadtmuseum ist die Ausstellung des Malers Moshe Neufeld zu sehen, der ebenfalls einst Häftling im Konzentrationslager war.

Mit dieser Woche soll ein Aspekt der Thematik "Gegen Fremdenhass, Rechtsextremismus und Ausgrenzung - für Toleranz'' herausgegriffen werden, das die Schüler in der Aktionswoche Anfang 2002 beschäftigte. Weil die Auseinandersetzung nicht nach einer Woche abgeschlossen sein sollte, wurden weitere Aktionen geplant, wie Schulleiter Dietrich Besch erklärt. Laut Gabriele Kouros von der Vorbereitungsgruppe soll auch deutlich werden, dass Gegenwart immer auch mit Geschichte verknüpft ist.


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