Rechenschaftsbericht des Vorstands der KZ-Gedenkstätte Leonberg e.V. für das Jahr 2023

Im ersten Jahr nach Corona stabilisierte sich unsere vielfältige Arbeit wieder auf einem früheren Niveau. Dies zeigte sich insbesondere bei einer erhöhten Zahl an Führungen von Schulklassen und einem wachsenden Einsatz von Neulotsen dabei. Ein besonderes Highlight war die Errichtung von zusätzlichen Informationstafeln auf dem Vorgelände des alten Engelbergtunnels.

  1. Schwerpunkt 1 der Gedenkstättenarbeit: 42 Führungen von Schulklassen

Mit 42 Führungen von Schulklassen (Vorjahr: 28) mit 850 (Vorjahr: 564) Schülerinnen und Schüler steigerten wie unser Engagement noch über die Vor-Coronazeit hinaus. Diese wurden von 10 Lotsinnen und Lotsen begleitet. Zum ersten Mal haben wir auch einzelne Schularten erfasst. Nahezu die Hälfte waren Schüler der Gymnasien. 15 Prozent kamen aus Berufsschulen. Ein Viertel aus Gemeinschaftsschulen, Realschulen und Werkrealschulen. D. h. durchaus eine interessante Mischung.

In verstärktem Masse übernahmen Neulotsen einzelne Führungen, entsprechend gut organisiert von Eva Schütz-Schrallhamer. Das Gespann von Ingeborg Böhme und Susanne Suby betreuen in vorbildlicher Weise die Lotsen. Sie vertraten die Gedenkstätte zwei Mal bei Lehrerfortbildungsveranstaltungen. Holger Korsten bot für die Lotsen ein Referat an über sein Spezialgebiet, die Messerschmittproduktion im Tunnel. Schließlich brachten die beiden die Partnerschaft mit der Friedrich-Ebert-Schule in Esslingen auf den Weg. Wir sind also auf unserem Hauptbetätigungsfeld gut aufgestellt.

Erfreulich ist, dass eine Schülerin, die im Jahr 2022 zusammen mit einer Mitschülerin, sich anleiten ließ, eine Führung auf dem Weg der Erinnerung für ihre Klasse durchzuführen, sich jetzt entschlossen hat, im Frühjahr an einem Kurs der Landeszentrale für politischen Bildung zur Ausbildung von Jugendguides teilzunehmen.            

 

  1. Schwerpunkt 2 der Gedenkstättenarbeit: 8 Führungen von Erwachsenengruppen

Im Jahr wurden acht Führungen (Vorjahr: 7) mit Erwachsenen für insgesamt 84 (Vorjahr: 93) Personen angeboten.

 

  1. Schwerpunkt 3 der Gedenkstättenarbeit: Sonntagsöffnungen der Tunnel-Ausstellung

Von März bis Oktober war an 33 Sonntagen (Vorjahr: 34) je drei Stunden die Tunnel-Ausstellung geöffnet. Wir zählten dabei 838 Besucher (Vorjahr: 700 Besucher). Holger Rohland übernahm die Organisation der Aufsichten und die monatlichen Führungen im Tunnel.

 

  1. Schwerpunkt 4 der Gedenkstättenarbeit: Drei Vortragsveranstaltungen jeweils in Zusammenarbeit mit der Ev. Erwachsenenbildung im Haus der Begegnung (im Vorjahr: 6)

Am 20. Januar sprach Hermann G. Abmayr zum Thema „Eisenbahner im Widerstand unter Nazis“.

Am 20.Juni moderierte Andrea Beer, ARD-Korrespondentin in Kyjiw, ein Gespräch mit zwei ukrainischen Journalistinnen, Elena Samovilova und Maria Kalus, unter dem Thema „Zwei aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtete Journalistinnen“. Beide Journalistinnen sind ständige Gesprächspartner der in Kyjiw stationierten ARD-Korrespondentin.

Am 14. November sprach der Historiker Dr.Johannes Spohr, der in Berlin einen Recherchedienst zum Thema „Nationalsozialismus in Familie und Gesellschaft“ (present-past.net) betreibt, zum Thema „die Ukraine und Deutschland – zur Geschichte eines asymmetrischen Verhältnisses“. Er ging dabei besonders auf die Situation der Ukraine im Zweiten Weltkrieg ein.

Bei den drei Vorträgen zählten wir insgesamt etwa 100 Besucher (im Vorjahr bei 6 Veranstaltungen: 360 Personen).

Dass der Verein auch in der Lage ist, Feste zu feiern, wenn sie fallen, zeigte sich am Abend des 12. September, einen Tag nach dem 11. September, als sich auf Einladung unserer Vorsitzenden aus Anlass des 95. Geburtstags ihres Stellvertreters eine nicht geringe Zahl von Gästen, darunter eine Reihe von Stadträten einschließlich des Oberbürgermeisters persönlich, zu einem Fest auf den Vorplatz vor dem alten Engelbergtunnel einfanden.   

 

  1. Die wohl größte Aktion im Jahr 2023: Ein neues Info- und Leitsystem auf dem Vor-Gelände vor dem alten Engelbergtunnel

Das finanziell umfangreichste Projekt im Jahr 2023 war das von Holger Korsten im Alleingang entworfene dreisprachige Info- und Leitsystem auf dem Vor-Gelände vor dem alten Engelbergtunnel mit Kosten von 12.000 EUR, von denen das Land (Landeszentrale für politische Bildung) 9.000 EUR übernahm. Der Gedanke dabei war, dass Besucher, vor allem Spaziergänger, die außerhalb der regelmäßigen Öffnungszeiten (an Sonntagnachmittagen zwischen den Monaten März und Oktober) zur geschlossenen Tunnel-Ausstellung kommen, sich darüber informieren können, was es mit dem Ort, der Namenswand und der gerade nicht zugänglichen Ausstellung im Tunnel auf sich hat. Eine ohne Zweifel wertvolle Ergänzung unserer Öffentlichkeitsarbeit durch Holger Korsten, für das wir ihm besonders dankbar sind. Die Info-Ständer und Info-Pulte aus Stahl und Stahlblech wurden von Jugendlichen des Seehauses e.V. im Rahmen von deren Resozialisierungsprogramm hergestellt, sodass uns nur die Materialkosten, aber nicht die Arbeitszeit berechnet wurde. Die KZ-Gedenkstätte gibt regelmäßig entsprechende Aufträge an das Seehaus. Umgekehrt kommen die Jugendlichen im Rahmen ihrer schulischen Ausbildung zu Führungen bei uns.

 

  1. Kontakte mit Angehörigen ehemaliger Häftlinge und deren Angehörigen

Neben den Grußkarten zum am Jahresende, die an 70 Adressen gehen, gab es drei Besuche von Familien ehemaliger Häftlinge: Die Familie Jonk, die Kinder von Kaspar Jonk mit ihren Partnern aus den Niederlanden besuchten uns und erneuerten den Kontakt. Aus Triest besuchte uns Marina Brana, die Enkelin und Nichte von Vater und Sohn Giuseppe sr. und jr. Covacich, die beide im Leonberger KZ waren. Ebenso besuchte uns Alenka Dobrila aus Triest mit ihrer Familie. Sie ist die Enkelin von Angelo Kaucic.

Wir suchten Kontakt mit der Tochter von Ivan Epifanowitsch Gerassimenko in der Ukraine, die schon einmal zusammen mit ihrem Mann zu Gast in Leonberg waren. Hatten dabei aber keinen Erfolg. Nachdem Überfall der Hamas auf Israel gelang uns der Kontakt mit dem einzigen noch lebenden ehemaligen Leonberg-Häftling Avraham Ary, der 95-jährig in einem Altersheim in Haifa / Israel lebt.

 

  1. Die unendliche Geschichte des Ausbaus von Untergeschossräumen im Haus Schleiermacherstraße 29

Im März 2022 bekamen wir vom Vorstandsvorsitzenden der Samariterstiftung das Angebot, im Rohbau befindliche Untergeschossräume im Haus Schleiermacherstraße 29 mietfrei nutzen zu können für Vereinszwecke, sofern wir die Kosten für den Ausbau der Räume selbst übernehmen. Eine Arbeitsgruppe, der Joachim Schütz, Steffen Schulik und Armin Schmidt angehören, erarbeitete im Benehmen mit den beiden Vorsitzenden einen Ausbauplan, holten Kostenvoranschläge ein und stellten beim Bauamt der Stadt Leonberg einen Antrag auf Baugenehmigung. Diese liegt seit August 2023 vor. Dennoch konnte mit dem Ausbau noch nicht begonnen werden, da die Leitung des Samariterstifts an der Seestraße noch keine endgültige Lösung fand zur Unterbringung der Gegenstände, die bisher in den für uns vorgesehenen Räumen lagern. Es besteht jedoch die Aussicht, dass sich das Problem mit unserer Hilfe und mit Hilfe der Stadt Leonberg im Jahr 2024 lösen lässt.

 

  1. Spezielle Tätigkeiten des Vorstands wie die Öffentlichkeitsarbeit sowie Mitgliedschaft im „Verbund der Gedenkstätten im ehemaligen KZ-Komplex Natzweiler“ (VGKN)

Die Vorstandsmitglieder haben sich im Jahr 2023 zu fünf Sitzungen zur Beratung und Beschlussfassung getroffen, und zwar am 31.01., 15.03., 30.05., 25.07. und 15.11.2023.

Die beiden Vorsitzenden nahmen an der Jahrestagung und Mitgliederversammlung der Gedenkstätten in Baden-Württemberg in Bad Urach am Samstag / Sonntag, 22./23.4.2023 teil. Die Vorsitzende vertrat uns bei der Videokonferenz des VGKN.

Die beiden Vorstandsmitglieder Joachim Schütz und Steffen Schulik bildeten zusammen mit dem früheren Vorstandsmitglied Armin Schmidt den Ausschuss für den Ausbau von UG Schleiermacherstraße 29. Irmtraud Klein vertrat den Vorstand gegenüber dem Finanzamt. Die Pflege der Homepage und den Kontakt zur Presse übernahm die Vorsitzende. Der Stellvertretende Vorsitzende hielt Kontakt zum Archivar Volger Kucher und gab Auskunft auf Anfragen von Angehörigen zum Schicksal eines ehemaligen KZ-Häftlings.

 

  1. Übersetzung von Videokassetten mit Interviews der Shoa Foundation

Von den Video-Interviews mit ehemaligen jüdischen Leonberg-Häftlingen wurden weitere drei Interviews aus dem Englischen übersetzt. Weitere vier harren noch der Übersetzung.

 

  1. Finanzielle Förderung von Projekten durch die Landeszentrale für politische Bildung wie durch die Stadt Leonberg

Als größere Gedenkstätte hatten wir Anspruch auf die Basisförderung durch das Land in Höhe von 5.500 EUR (im Vorjahr 3000 EUR). Einzelprojekte wurden durch die Landeszentrale für politische Bildung gefördert in Höhe von 15.700 EUR (Beamer 2.700 EUR, Info-Tafeln vor dem Tunnel 9.000 EUR, Pädagogische Maßnahmen / Führungen von Klassen 4.000 EUR).

Die Stadt Leonberg übernahm im dritten und letzten Jahr die Kosten für die Anstellung eines Archivars auf Honorarbasis in Höhe von 6000 EUR jährlich. 

 

  1. Statistik für das Jahr 2023

Wir zählten im Jahr 2023 insgesamt etwa 2000 Besucher, davon waren 850 Schüler bei 42 Führungen auf dem „Weg der Erinnerung“ und 1100 Erwachsene bei 8 Führungen und 4 sonstigen Veranstaltungen. Von unseren Mitgliedern sind 26 grundsätzlich bereit zur ehrenamtlichen Mitarbeit

       

  1. Wahl des Vorstands und Mitgliederzahl bei der Mitgliederversammlung am 22. März 2023 im Blumhardtsaal der Blosenbergkirche mit Beschluss der Namensänderung

Bei der Mitgliederversammlung wurden vom bisherigen Vorstand wiedergewählt: Marei Drassdo zur Vorsitzenden, Eberhard Röhm zum stellvertretenden Vorsitzenden. In den erweiterten Vorstand wurden wiedergewählt: Irmtraud Klein, Martin Riethmüller (vom Vorstand anschließend zum Kassier gewählt), Holger Rohland, Joachim Schütz und Steffen Schulik.

 Als Kassenprüfer wurden gewählt Heinz Klingel und Manfred Pauschinger.

Bei der Mitgliederversammlung wurde eine Namensänderung des Vereins beschlossen. Statt „KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V.“ heißt der Verein in Zukunft „KZ-Gedenkstätte Leonberg e.V.“.

 Zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung (22.03.2023) betrug die Zahl der Mitglieder: 93 Mitglieder zuzüglich drei korporative Mitgliedschaften.

 

Leonberg, 20.03.2024

 

 

Marei Drassdo, Vorsitzende                          Eberhard Röhm, Stellvertretender Vorsitzender