Nachruf auf Moshe Neufeld (7. Juli 1926 – 4. Januar 2008)

Vor wenigen Minuten habe ich über Ruth Tewes die Nachricht erhalten, dass gestern Moshe Neufeld in Israel verstorben ist. Da heute Sabbat ist, wird er vermutlich morgen, am Sonntag, im Kibbuz Barkai beerdigt werden. Wir kennen ihn alle von seinem Besuch bei uns in Leonberg her, als er am 24. Juni 2003 zur Eröffnung der Ausstellung seiner uns tief bewegenden Bildern zusammen mit seiner Frau Sarah und seiner Tochter nach Leonberg gekommen ist. Wir nehmen tiefen Anteil an der Trauer seiner Frau und seiner ganzen Familie.
Moshe Neufeld ist 82 Jahre alt geworden, geboren am 7. Juli 1926 in Satu-Mare, damals einem Zentrum orthodoxen und chassidischen Judentums im nördlichen Siebenbürgen (Rumänien). Mit 13 Jahren trat er der linkszionistischen Jugendorganisation „Ha Schomer Ha Za’ir“ bei. 1940 kam seine Heimat unter ungarische Herrschaft. Nach der Besetzung Ungarns durch die Deutschen im Frühjahr 1944 wurde seine ganze Familie in ein bewachtes Ghetto gebracht und im Juni 1944 nach Auschwitz deportiert. Dort verlor Moshe Neufeld seine Mutter, seinen Bruder und seine Schwester und zuletzt auch den Vater. Ihnen hat er in seinen Bildern ein Denkmal gesetzt und gleichzeitig hat er versucht, im Malen mit dieser Erinnerung fertig zu werden. Er selbst war zeitweise auf einem Außenkommando in Rajskor in einer Gärtnerei tätig und überlebte so Auschwitz. Nach der Auflösung von Auschwitz am 18. Januar 1945 kam Moshe Neufeld auf einem der berüchtigten Todesmärsche über die Lager Gleiwitz, Großrosen, Flossenbürg nach Leonberg. Nach einem weiteren Todesmarsch von Leonberg nach Bayern im April 1945 und der Befreiung durch die Amerikaner in Tutzing, wanderte Moshe Neufeld im Dezember 1946 nach Palästina aus. Er lebte und arbeitete seither im Kibbuz Barkai im Norden Israels.
Moshe Neufeld schrieb in einem kurzen Lebenslauf im Juli 2001 aus Anlass einer Ausstellung seiner Bilder in Israel:
„Ich habe eine große Familie, eine Tochter, zwei Söhne und 13 Enkel. Ich bin mit mir selber im Reinen, nur meine Gesundheit lässt zu wünschen übrig.
Leider gibt es bis heute keinen Frieden im Lande, die Araber wollen mit uns keinen Frieden schließen und zur Zeit ist die Spannung im Lande sehr groß.
Für die Zukunft möchte ich voraussagen, dass uns die Geschehnisse in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit überrollen werden. Wie ich hoffe zum Guten. Uns bleibt, auf den Zusammenhalt unserer Familie zu achten, soweit das möglich ist, auf gute Gesundheit der Familie, Gedeihen, Befreiung und Frieden für uns und das ganze Land.“
Im Oktober 2001 hatten wir Moshe Neufeld zur Präsentation des Buches über das KZ Leonberg hierher eingeladen. Er wollte und konnte nicht kommen, weil der Tag des Fluges der Tag der Ermordung seines Vaters in Auschwitz gewesen wäre. Er schickte seine beiden Söhne an seiner Stelle nach Leonberg und blieb mit ihnen telefonisch im Kontakt. Dank der Unterstützung durch die Stadt Leonberg konnten zwei Jahre später über vier Monate hinweg seine Bilder im Stadtmuseum gesehen werden und er selbst war bereit, nun doch nach Leonberg zu kommen. Während dieser Zeit gab es eine für ihn sehr schöne Begegnung mit Richard von Weizsäcker im Gebersheimer Pfarrhaus. All die Jahre hinweg haben wir brieflich Verbindung mit ihm und seiner Familie gehalten. Einmal im Jahr haben Zeev Goldreich und Ruth Tewes ihn besucht.
Was uns bleibt, ist die Erinnerung an ihn und seine Bilder.

Eberhard Röhm


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