Der Erste, der die Hand zur Versöhnung gab - Nachruf auf einen KZ-Häftling

Leonberger Kreiszeitung, 25. März 2009

Leonberg (mic). Einer der ersten Leonberger KZ-Häftlinge, die nach dem Krieg die Hand zur Versöhnung gereicht haben, ist Claude Brignon gewesen. Er starb dieser Tage in den Vogesen. An ihn und andere erinnert ein Buch der KZ-Gedenkstätteninitiative.

1959 hatte der einstige französische Häftling wieder die Stadt besucht, mit der er grausame Quälerei und den Tod vieler Kameraden in der Todesfabrik im Engelbergtunnel verbunden hat. Später war er als regelmäßiger Zeitzeuge der Einladung der Leonberger KZ-Initiative gefolgt und hatte auch vielen Schülern eine neue Sicht auf die Geschichte ihrer Heimatstadt gegeben.
Renate Stäbler hat im neuen Buch der KZ-Gedenkstätteninitiative, das am Donnerstag vorgestellt wird, das Leben von Claude Brignon nachgezeichnet.

Am 4. Oktober 1944, als Claude Brignon in seinem Heimatstädtchen Senones unterwegs war, wurde er von den Deutschen verhaftet. Nicht nur er selbst, sondern seine ganze Familie war am Widerstand beteiligt. Die Eltern hatten einige Zeit lang geflohene alliierte Kriegsgefangene in ihrem Haus versteckt, und Claude selbst hatte das Victory-Zeichen an Wände gemalt.
Brignon wurde in Handfesseln in das Hauptquartier der Gestapo gebracht und gefoltert, um - allerdings vergeblich - Geständnisse aus ihm herauszupressen.

Man brachte ihn und andere Gefangene in das Gestapolager nach Schirmeck und weiter in das KZ Dachau. Von dort kam Claude Brignon in einem Häftlingstransport mit 200 andern Männern am 9. November 1944 nach Leonberg. Bald war er schwer krank. Er litt an einer Lungenentzündung und bekam Tuberkulose, von der er sich nie mehr richtig erholte. Im Dezember 1944 musste Claude Brignon nach Dachau zurückverlegt werden. Als das KZ Dachau am 29. April 1945 befreit wurde, lag Claude Brignon halbtot in der Krankenstation und erwachte erst nach der Befreiung.

Die Rückkehr an den Ort, an dem seine Gesundheit zerstört wurde, war Teil seines Bemühens, den Hass gegen die Deutschen zu überwinden und sich das Leben zurückzuerobern. Es war für ihn "Therapie", wie er stets betonte. Wenn Claude Brignon nach Leonberg kam, machte er stets als Erstes Halt vor dem Tunnel, wo er lange schweigend ausharrte, um an die für ihn schweren Tage zurückzudenken, erinnert sich Pfarrer Eberhard Röhm, der Vorsitzende der KZ-Gedenkinitiative.

So war er bereit, vor allem vor jungen Menschen Zeugnis abzulegen: im Juni 1998, als er, als einziger ehemaliger KZ-Häftling Gast des Samariterstifts, einen Gedenkstein im ehemaligen Lagergelände mit enthüllte, aber auch bei Besuchen von Leonberger Schülern, die er 2003 nach Senones eingeladen hatte. "Der Name von Claude Brignon bleibt eingegraben in der Namenswand vor dem Engelbergtunnel - als Erinnerung an einen gütigen Menschen", schreibt Röhm.

Am Donnerstag, 26. März wird um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Leonberg das Buch "Aus vielen Ländern Europas - Häftlinge des Konzentrationslagers Leonberg" vorgestellt.


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