Rechenschaftsbericht des Vorstands der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. für das Jahr 2010 – vorgetragen bei der Mitgliederversammlung am 16. Februar 2011

Die Arbeit der KZ-Gedenkstätteninitiative war im Jahr 2010 gekennzeichnet neben dem Ausbau der traditionellen Arbeit mit Führungen auf dem Weg der Erinnerung und in der Tunnel-Ausstellung durch die im Herbst durchgeführte Veranstaltungsreihe mit einer Ausstellung zum Thema „Euthanasieopfer aus Leonberg“ sowie durch die Fertigstellung des Katalogs zur Ausstellung im Engelbergtunnel, der kurz vor Weihnachten ausgeliefert werden konnte. Im Übrigen war das Jahr geprägt vom zaghaften Blick nach vorne mit der Frage, wie wir erhöhten Erwartungen in Zukunft gerecht werden können.

Vortragsreihe mit einer Ausstellung im Haus der Begegnung zum Thema „Gedenken an die Euthanasieopfer aus Leonberg“
Von 11. Oktober bis 12. November führte die Initiative in Verbindung mit der Evang. Erwachsenenbildung eine Projekt durch, das als gelungen bezeichnet werden kann. Die Idee, anlässlich „70 Jahre Tötungsanstalt Grafeneck“ ein auf Leonberg bezogenes Projekt durchzuführen, kam von unserem Mitglied Dr. Hartmut Fritz, Vorstandsvorsitzender der Samariterstiftung. Geplant und durchgeführt wurde das Projekt von einer Arbeitsgruppe, der die Mitlieder Linde und Klaus Beer, Hartmut Fritz, Karl Grob, Eberhard Hudelmayer, Reinhard Pfeffer, Eberhard Röhm, Wolfgang Schiele und Hildrun Schlicke angehörten. Für das untere Foyer des Haus der Begegnung wurde eine Ausstellung mit 12 Tafeln entworfen, die Robert Krauss gestaltet und hergestellt hat. Die Tafeln zeigen die Biographien Leonberger „Euthanasieopfer“. Begleitend zur Ausstellung (von 11.10. bis 12.11.2010 geöffnet) fanden folgende Veranstaltungen statt: 11.10. Einführung in die Ausstellung zur Eröffnung (Beer, Hudelmayer, Röhm, Schiele, Schlicke), 18.10. Vortrag Klaus Beer („Der Menschenzüchtungswahn in der Vergangenheit der Deutschen“), 23.10. Halbtagesfahrt zur Gedenkstätte Grafeneck (mit Führung durch Hartmut Fritz und Eberhard Röhm), 24.10. Ökumenischer Gottesdienst Stadtkirche Leonberg (Predigt: Hartmut Fritz; Gedenken gesprochen von Linde Beer, Eberhard Hudelmayer, Eberhard Röhm, Hildrun Schlicke), 28.10. Vortrag Eberhard Röhm („Euthanasie in Württemberg, Täter – Verstrickte – Widerstand“), 10.11. Szenische Lesung in der Versöhnungskirche der Theatergruppe Kandel („Erinnern statt vergessen – nie wieder Euthanasie“).
Die zwölf Tafeln wurden im Magazin des Stadtmuseums gelagert und können von Schulen und anderen Institutionen ausgeliehen werden. Die Kosten des gesamten Projekts konnten bis auf einen kleinen Betrag durch die Spenden bei den Veranstaltungen und durch zusätzliche Einzelspenden beglichen werden.

Ausstellungskatalog „KZ-Dokumentationsstätte im alten Engelbergtunnel. Eine Ausstellung“
Am Sonntag, 5. Dezember, wurde mit einer Lesung im Engelbergtunnel bei Minustemperaturen ein von Holger Korsten und Eberhard Röhm verfasster und von Braun Engels Gestaltung entworfener Katalog der Öffentlichkeit präsentiert. (96 Seiten, Farbe, Format 20/28 cm, Preis: Spende von mindestens 15 EUR). Das Buch enthält alle Texte und Bilder der Ausstellung und zusätzliche Erläuterungen. Bei der Lesung spielte das Balalaika-Orchester Tschakir mit Robert Krauss und seinen Freunden und es wurden Glühwein mit Gebäck gereicht.

Tätigkeiten von weiteren Arbeitsgruppen

  1. „Arbeitsgruppe Technik“ (Holger Korsten, Wolfgang Schiele, Pitt Adler, Manfred Pauschinger):
    Neben der Reinigung von Tunnel und Exponaten sowie kleinerer Instandhaltungs-maßnahmen an der Ausstellung stand das Problem des einströmenden und nur unzureichend abfließenden Regenwassers erneut im Vordergrund: die Stelen auf der linken Tunnelseite wurden mit Hilfe kleiner Distanzblöcke soweit über die Betonfläche gehoben, dass das Wasser darunter durchfließen kann. Da jedoch die Verschraubung weiterhin im Wasser steht, hat sich die Ini auf Vorschlag der Arbeitsgruppe erneut an die Stadt gewandt: OB Schuler sicherte – noch unkonkret – Unterstützung bei der Lösung des Problems zu.
  2. Arbeitsgruppe Namenstafel auf dem Friedhof Seestraße (Irmtraud Klein, Holger Korsten, Monica Mather, Renate Stäbler):
    In zähen Verhandlungen hat sich die Stadt Leonberg bereit erklärt, an die in Leonberg zu Tode gekommenen KZ-Häftlinge und an der Seestraße Bestatteten zu erinnern. Erste Vorschläge dazu, in denen Johannes Kares mit einem Stahlband die Namenswandgestaltung vom Tunnelvorplatz aufnehmen wollte, lehnte die Stadt (Frau Ossowski) aus Kostengründen ab. Dem Vorschlag der Arbeitsgruppe folgend werden nun auf dem Gräberfeld eine Tafel mit Hinweis auf das KZ Leonberg und eine Tafel mit den Namen der Toten installiert. Die Gestaltung folgt den Tafeln auf dem „Weg der Erinnerung“. Die Arbeitsgruppe wandte sich wegen einer Kostenbeteiligung an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: dieser nahm Kontakt zum RP Stuttgart auf, das eine Beteilung prüft. Ungeachtet dieser Prüfung hat die Stadt die Kosten von ca. 3000 € im Etat 2011 vorgesehen. Nach Verabschiedung kann das Projekt bis Sommer 2011 realisiert werden – wir bedauern sehr, dass Monica Mather die Fertigstellung nicht mehr erleben kann.
  3. Arbeitsgruppe „Schule“ (Marei Drassdo, Manfred Pauschinger, Eberhard Röhm, Hildrun Schlicke):
    Ein Gespräch im Regierungspräsidium am 22.6.2010, an dem Marei Drassdo und Eberhard Röhm teilgenommen haben, hat zum Ergebnis geführt, dass auf Montag 18. April eine ganztätige Fortbildungsveranstaltung für maximal 20 Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten ausgeschrieben wird zum Thema „KZ-Gedenkstätte Leonberg: Didaktische Möglichkeiten für die Gedenkstättenarbeit mit Schulklassen“. Leitung: Drassdo, Pauschinger, Röhm. Ort: Samariterstift.
    20 im Ruhestand lebende Lehrerinnen und Lehrer des Berufschulzentrums wurden im Sinne eines Pilotprojekts schriftlich angefragt, ob sie als Lotsen innerhalb der Ini mitarbeiten wollen. Es gab keine Rückmeldung.
    Alle in Leonberg unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer mit einschlägigen Fächern wurden eingeladen, mit ihren Klassen die Ausstellung über die Euthanasieopfer im Haus der Begegnung zu besuchen. Es wurde kein Gebrauch davon gemacht, auch nicht vom vor den Ferien ausgesprochenen Angebot einer Einführung in die Thematik samt Unterrichtsvorschlag. Die Ausstellungstafeln und das unterrichtsdidaktische Angebot stehen weiterhin zur Verfügung.
  4. Arbeitsgruppe Bibliothek (Linde Beer, Bärbel Korsten):
    In 2010 wurden der Ini insgesamt 580 Bücher von Ini-Mitgliedern, uns nahe stehenden Spendern und der LpB übergeben. Davon sind inzwischen 360 im Bibliothekssystem erfasst. Sie decken den definierten Zeitraum von ca. 1930 bis 1950 ab und wurden primär nach folgenden Kriterien eingeordnet: Allgemeine historische Darstellungen und Geschichte, Minderheiten in Deutschland, Innenpolitik im NS-Staat, die NS Zeit betreffende Belletristik (Erzählungen, (Auto-) Biografien, Tagebücher, Kinderbücher), der Repressionsapparat und seine Verbrechen, Verfolgte, Widerstand, Auseinandersetzung mit dem NS vor 1933 und nach 1945.

Kontakte mit ehemaligen Häftlingen und deren Angehörigen
Wie jedes Jahr erhielten alle noch lebenden ehemaligen Häftlinge wie alle Familien ehemaliger Häftlinge, mit denen wir irgendwann Kontakt hatten, einen von Holger Korsten gestalteten Weihnachts- und Neujahrsgruß, der von Irmtraud Klein versandfertig gemacht wurde. Als Echo erhielten wir eine fast gleich große Zahl an Antworten aus aller Welt.
Am 6. Juni besuchte die Ausstellung im Tunnel das Ehepaar Hovingh aus den Niederlanden. Pfarrer Geert Hovingh hat ein Buch über den holländischen Widerstand geschrieben und erwähnt darin auch den im KZ Leonberg verstorbenen Landsmann Jan Wildschut. Marei Drassdo konnte Herrn Hovingh für einen Vortrag zu diesem Thema am 30. Januar 2011 in Leonberg gewinnen.
Am 24. Juli besuchte uns das Ehepaar De Jong aus Holland.

Weitere Veranstaltung:
Am Sonntag, 31. Januar 2010, fand im Stadtmuseum die traditionelle Vortragsveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag statt mit einem Vortrag von Moshe Langer, Tübingen („Eine Jugend zwischen Ghetto und Theresienstadt“)
Am 11. Juni 2010 veranstalteten Beate Adler, Klaus und Linde Beer, Eberhard Röhm und Renate Stäbler ein „Erzählcafe“ in der Beatbaracke des Jugendhausvereins, bei dem Jugendliche etwas aus dem Alltag im Dritten Reich und über die Arbeit der Initiative erfahren konnten. Das „Erzählcafe“ soll in lockerer Form fortgesetzt werden.
Am 12. September, dem Tag des offenen Denkmals, fand wie in den Vorjahren eine außerordentlich gut besuchte Doppelveranstaltung statt:
Vortrag mit Filmvorführung im Samariterstift durch Renate Stäbler und Irmtraud Klein ab 11.15 Uhr,
Öffnung der Ausstellung im Engelbergtunnel mit Führung bei Anwesenheit von Marei Drassdo und Manfred Pauschinger.

Kontinuierliche Bildungsarbeit
Statistik
Es fanden statt

  • 17 Führungen auf dem Weg der Erinnerung einschließlich der Tunnelausstellung mit 350 Schülern inklusive Lehrer
  • 20 Führungen von Erwachsenengruppen mit insgesamt 310 Teilnehmern
  • 11 Führungen ausschließlich im Tunnel mit 350 Teilnehmern
  • 6 Vortragsveranstaltungen (davon 4 im Rahmen des Euthanasieprojekts) mit 250 Besuchern
  • 1 Filmvorführung in einer Schule (Rutesheim) mit Diskussion mit 100 Besuchern
  • Fahrt nach Grafeneck mit 20 Teilnehmern
  • Gottesdienst von der Projektgruppe gestaltet mit 200 Besuchern
  • 2 Unterrichtsdoppelstunden mit insgesamt 55 Schülern
  • 1 mehrstündige Führung in Natzweiler mit 25 Schülern und 7 Erwachsenen
  • 6 Einzelberatungen von Schülern jeweils mehrere Stunden
  • Insgesamt 1673 Personen, davon etwa 550 Schüler bzw. Jugendliche

außergewöhnliche Aktionen
Am 8./9. Mai fand auf Einladung des Bürgermeisters von Charmes in Verbindung mit Albert Montal eine Fahrt von 25 Französisch-Schülern des Johannes-Kepler-Gymnasiums zusammen mit zwei Lehrerinnen und fünf weiteren Erwachsenen statt. Auf der Hinfahrt führte Eberhard Röhm durch die Gedenkstätte Natzweiler. In Charmes übergab der Abiturient Marcel Murschel seinen Film mit einem Interview mit Albert Montal in einer französischen Fassung.
Am 24. Juni fand im Gymnasium Rutesheim vor großem Publikum die Premiere des Films von Marcel Murschel über Albert Montal und das KZ Leonberg statt mit anschließender Diskussion über den Film und das KZ Leonberg (Marcel Murschel und Eberhard Röhm als Gesprächspartner)

Öffentlichkeitsarbeit
Es wurden im Jahr 2010 fünf Rundbriefe an Mitglieder und Interessenten verschickt. Hinzu kamen mehrere kurzfristige Hinweise auf Veranstaltungen über den E-Mail-Verteiler der Initiative.
Die Presse berichtete im Jahr 2010 17 Mal über unsere Arbeit, davon 15 Mal die Leonberger Kreiszeitung, ein Mal die Stuttgarter Zeitung und ein Mal das Amtsblatt.

Spezielle Tätigkeit des Vorstands
Die Vorstandsmitglieder haben sich im Jahr 2010 zu acht Sitzungen zur Beratung und Beschlussfassung getroffen, jeweils im Gedenkstättenraum im Samariterstift. Die Treffen wurden ergänzt durch zahlreiche Verständigungen über E-Mail, ohne die Vorstandsarbeit nicht denkbar gewesen wäre.
Einzelne Vorstandsmitglieder hielten Kontakt mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten in Baden Württemberg. Marei Drassdo und Eberhard Röhm nahmen an der Jahrestagung der Gedenkstätten in Baden-Württemberg am 20./21. März 2010 in Bad Urach teil.
Eberhard Röhm vertrat die Initiative bei den Einweihungen der beiden neu geschaffenen Gedenkstätten in Hailfingen-Tailfingen am 6. Juni und in Echterdingen am 8. Juni. Er nahm außerdem teil an der Fachtagung zur Zukunft des Gedenkens unter dem Titel „Gedenken 21 – Pflicht und Freiheit des Erinnerns“ in Tübingen am 12./13.11.2010. Die Tagung wurde ausgerichtet durch die Landkreise Böblingen, Reutlingen, Rottweil, Tübingen, Zollernalbkreis in Verbindung mit den Uni-Instituten für Erziehungswissenschaften und für Empirische Kulturwissenschaft, der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten, sowie durch die Landeszentrale für politische Bildung und die Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchivare Baden-Württemberg. Eberhard Röhm war eingeladen, in einer Arbeitsgruppe über die Arbeit der Leonberger Initiative mit Schülern zu berichten.

Vorstand und Mitgliederzahl
Am 24. Februar 2010 fand die Jahresmitgliederversammlung statt, bei der folgende Personen als Vorstandsmitglieder gewählt wurden: Eberhard Röhm (Vorsitzender), Marei Drassdo (Stellvertretende Vorsitzende), Irmtraud Klein, Holger Korsten, Manfred Pauschinger, Martin Riethmüller (vom Vorstand zum Kassier gewählt), Renate Stäbler. Als Kassenprüfer wurden gewählt: Heinz Klingel und Wolfgang Schiele.
Aus eigenem Wunsch sind dem Vorstand ausgeschieden: Beate Adler und Klaus Beer.

Zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung betrug die Zahl der Mitglieder: 72. Während des Jahres sind zwei Personen Mitglied geworden. Zwei Personen sind aus dem Verein ausgetreten.